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Naturschutz Warum Steve Hahnemann aus Aschersleben Lebensraum für Reptilien und Amphibien schafft: Naturschutz in Aschersleben

Von Regine Lotzmann 13.11.2019, 07:56
Steve Hahnemann nutzt altes Baumaterial, wie Dachziegel, um Unterschlupfmöglichkeiten für Tiere zu schaffen.
Steve Hahnemann nutzt altes Baumaterial, wie Dachziegel, um Unterschlupfmöglichkeiten für Tiere zu schaffen. Gehrmann

Aschersleben - Was manche so im Garten entsorgen“, sagt Steve Hahnemann und zeigt schulterzuckend auf ein geriffeltes Stück Teppichboden, das aus der Erde ragt. Und lachend fügt er hinzu: „Ich dachte schon, wir stoßen auf die verbuddelte Schwiegermutter.“ Das sind die Schüler aus der Adam-Olearius-Schule in Aschersleben, die dem 39-Jährigen gerade dabei helfen, einen großen Gartenteich anzulegen, dann aber nicht.

Doch auch ohne tote Schwiegermutter handelt es sich bei dem, was in einer Gartensparte am Rande von Aschersleben entsteht, um ein ungewöhnliches Projekt: den wohl einzigen „Froschgarten“ in Sachsen-Anhalt.

Unzählige große und kleine Teiche, Mauern und aufgeschichtete Dachziegel sollen in Zukunft das Zuhause von Fröschen, Kröten, Eidechsen und Molchen sein. „Das haben, soweit ich weiß, nur wir“, sagt Marcel Seyring vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

Marcel Seyring vom BUND-Arbeitskreis lobt den Froschgarten als gelungenes Projekt

Der BUND-Arbeitskreis um Marcel Seyring beschäftigt sich mit dem Schutz von Amphibien und Reptilien, organisiert nicht nur Fachtagungen und führt Forschungsprojekte und Führungen durch - er betreibt vor allem auch Umweltbildung. Und der „Froschgarten“, der im nächsten Jahr eröffnet wird, ist dafür aus Seyrings Sicht bestens geeignet.

„Hier sollen ökologische Anbauweise und die naturnahe Gestaltung eines Schrebergartens zusammenkommen“, erläutert der Naturschützer. „Dabei sollen heimische Amphibien und Reptilien gezeigt werden“, sagt Seyring, der bei den Arbeitseinsätzen in der Gartensparte selbst mit zupackt.

„Wir wollen zeigen, dass man ohne großen Aufwand Artenschutz betreiben kann“, erklärt er und denkt dabei an Vogelnisthilfen oder Wildtier-Verstecke, die noch angelegt werden sollen. Kleingärten seien aber auch ein wichtiger Baustein, um dem Bienensterben Einhalt zu gebieten. „Und Insektenschutz ist gleichzeitig auch Reptilienschutz.“

„Wir wollen zeigen, dass man ohne großen Aufwand Artenschutz betreiben kann“

Einmal im Monat soll der Garten künftig seine Pforten für die Allgemeinheit öffnen. Weitere Termine können nach Absprache vereinbart werden. Zusätzlich soll es gemeinsame Projekte mit Kindergärten und Schulen geben, die auch bei der Biotoppflege helfen. Und so heißt der „Froschgarten“ ganz offiziell eigentlich „Helga“, die Abkürzung für Herpetologischer Lehrgarten Aschersleben.

Für Steve Hahnemann - einem Mann im besten Alter, blondes Haar, die Haut leicht gebräunt und die ersten Lachfältchen in den Augenwinkeln - ist das Projekt die Erfüllung eines Jugendtraums. Schon als kleiner Junge streifte er mit seinem Vater durch die Natur, schaute sich Eidechsen und Kröten an.

Sein Opa legte Wert auf ökologische Gartenarbeit, lange bevor es eine Ökobewegung überhaupt gab. „Er hat mir gezeigt, dass man auch Tieren im Garten ihren Lebensraum lässt, nicht jedes Kraut wegzupft oder alles wegräumt“, erzählt der 39-Jährige, wie er auf die Idee für den „Froschgarten“ gekommen ist.

Dazu kam, dass der gelernte Krankenpfleger inzwischen in der Kinder- und Jugendhilfe in der Schloß Hoym Stiftung arbeitet und nebenbei ein Fernstudium zum Umweltpädagogen absolviert. Kindern das Erbe seines Opas weitergeben, das möchte er gern. „Es fügt sich eben alles“, sagt er.

Rund 600 Quadratmeter großer Schrebergarten wird auch für Projekte im Biologie-Unterricht genutzt

So auch, dass vor drei Jahren der Arbeitskreis Feldherpetologie entstand. Dadurch hatte der Ascherslebener fachkundige Helfer und Unterstützer. Hahnemann - inzwischen selbst ehrenamtlich für den BUND tätig - mietete in seiner Heimatstadt einen Schrebergarten an und baut das rund 600 Quadratmeter große Stückchen Scholle seitdem nach und nach um.

Mit ganz viel Unterstützung: Seyrings Truppe kommt zu Arbeitseinsätzen, der BUND fördert das Projekt mit ein bisschen Geld, Schüler, wie die „Teppichausgräber“, verbringen ihre Bioprojekte hier und mittlerweile hilft auch sein 15-jähriger Sohn beim Graben. Der habe sich auch schon mit dem Familien-Virus infiziert, sagt der Vater.

„Wir wollen hier nichts Fertiges hinstellen, sondern schauen, dass die Leute mitmachen“, sagt der 39-Jährige und freut sich über jede Spende. „Wenn etwa ein Baumarkt eine Schautafel sponsert oder jemand seinen Spaten nicht mehr braucht, dann nehmen wir das gerne an.“

Und so stehen kleine Mörtelfässer und Bottiche - alles verheißungsvolle Miniteiche - aufgestapelt, gibt es alte Steine und Ziegel, in deren Hohlräumen sich die Eidechsen gern verstecken. „Wir wollen ja auch nachhaltig sein, schauen, dass man alte Dinge wieder nutzen kann“, sagt Hahnemann.

„Hier leben Blindschleichen, Erdkröten und Teichmolche, Zaun- und Mauereidechsen“

Der Start war allerdings alles andere als verheißungsvoll. Als Hahnemann den Schrebergarten vor zweieinhalb Jahren übernahm, fand er ein einziges Brennnessel-Meer vor. „Und es gab nur ein Pärchen Zauneidechsen.“ Inzwischen sieht der Garten schon nach einer kleinen Oase aus - mit Beeten, Tümpeln und Teichen.

Das scheint sich auch in der Tierwelt herumgesprochen zu haben: „Hier leben inzwischen Blindschleichen, Erdkröten und Teichmolche, sechs Zauneidechsen-Pärchen und mehr als 40 Mauereidechsen.“

„Die fressen sogar aus der Hand“, sagt der Ascherslebener über seine zutraulichen Mitbewohner und lässt eines der Tiere über seine Finger laufen.

Auf einer gepflasterter Fläche soll ein grünes Klassenzimmer eingerichtet werden

Damit Kinder in Zukunft etwas zum Schauen haben, werden aber auch Terrarien und Aquarien mit heimischen Reptilien und Amphibien aufgestellt. „Und da drüben kommt ein grünes Klassenzimmer hin“, zeigt er auf eine gepflasterte Fläche. Denn das Interesse an der Natur könne nicht früh genug geweckt werden. „Ja, und hier begeistert man die Kinder“, ist sich Hahnemann sicher und muss wieder an seinen Opa denken. „Eigentlich hat der den Samen für all das gesät.“

Einige Arten wie diese Mauereidechse sind sehr zutraulich.
Einige Arten wie diese Mauereidechse sind sehr zutraulich.
Gehrmann