Volkschor Gatersleben Volkschor Gatersleben: Melodie der Kindheit

Gatersleben - „Ob wir O Tannenbaum singen? Na klar! Wir singen sogar zwei Lieder mit diesem Titel“, lacht Undine Gerstner. Mit dieser Aussage ist sie unsere Frau der Stunde, zumal die Vorsitzende des Volkschores Gatersleben meist auch zu den Ursprüngen der Chorstücke recherchiert, die das Ensemble jeden Donnerstagabend im Pothof einübt.
In der Weihnachtszeit ist er allgegenwärtig. Als bekanntestes Weihnachtslied schmettert er in der besinnlichen Adventszeit aus Radio und Kehlen. Kleine Plätzchenbäcker lieben ihn als Ausstechmotiv. Es gibt ihn auf Weihnachtsmärkten zu kaufen oder im Forst frisch zu schlagen und wirklich (fast) jeder hat ihn zum Weihnachtsfest geschmückt in seiner Stube stehen: den Tannenbaum. „O Tannenbaum“ heißt dann auch der Titel unserer Adventsserie, in der wir uns diesem Weihnachtssymbol von ganz vielen Seiten genähert haben.
Volkslied aus dem 16. Jahrhundert
Und so weiß sie, dass der Text des bekannten Weihnachtsliedes von Melchior Frank stammt und der Melodie ein schlesisches Volkslied aus dem 16. Jahrhundert zugrunde liegt. Zum Weihnachtslied wurde es allerdings erst, nachdem der Leipziger Lehrer Ernst Anschütz 1824 zwei weitere Strophen hinzufügte. Natürlich kennen die etwa 30 Sängerinnen und Sänger unter der Leitung von Rolf Braun auch die zahlreichen Verballhornungen und Abwandlungen dieses im Grunde einfach strukturierten und daher wohl so bekannten Liedes.
„O Tannenbaum“ gehört jedenfalls fest zum Repertoire und findet fast immer auch Eingang in die zahlreichen Weihnachtskonzerte, die der kleine Chor zu absolvieren hat. Nicht nur für die Sänger, auch für die Zuhörer weckt die Melodie oft Erinnerungen, fast jeder kennt sie aus Kindertagen. „Als wir begonnen haben, das Lied einzustudieren, gab es keine vernünftigen Chornoten, keinen vierstimmigen Satz zu diesem Lied“, erklärt der Chorleiter.
Interpretation aus DDR-Zeiten
„Deshalb habe ich unsere Interpretation noch zu DDR-Zeiten selbst geschrieben.“ „Wir singen es gerne“, sagt eine der Sängerinnen. Lieber jedenfalls als das weniger bekannte und anspruchsvollere „O Tannenbaum, du trägst ein’ grünen Zweig.“ „Das klingt immer ein bisschen schief, obwohl wir es richtig singen“, findet ein Chormitglied nach einer Kostprobe aus beiden Liedern extra für die MZ. So wie viele andere Chöre in der Region haben auch die Gatersleber Nachwuchssorgen. „Wir bemühen uns, immer noch alles vierstimmig zu singen. Aber es wird immer schwieriger“, bekennt Undine Gerstner.
Es fehlt an Männerstimmen
Vor allem an Männerstimmen fehlt es, „wenngleich unsere männlichen Sänger zum Glück sehr fit sind“, sagt Undine Gerstner. Jüngere Sänger sind nach wie vor Mangelware, da hilft es auch nichts, dass der Chor gute Kontakte zur Schule und zum Kindergarten hält. Auch zum Harzer Jodlermeister Andreas Knopf und zur Waldbühne Altenbrak bestehen gute Verbindungen, regelmäßig tritt der Chor dort auf, beteiligt sich an Chortreffen und hat besonders in der Vorweihnachtszeit in Gatersleben und drumherum eine ganze Reihe von Auftritten zu meistern.
Rolf Braun leitet das Ensemble seit 1979. Zwar ist der Biologe nicht als Chorleiter ausgebildet, ist aber offenbar ein Naturtalent. Denn schon mit 15 stand er in seiner thüringischen Heimat aushilfsweise vor einer Sängerschar und wurde trotz seiner Jugend akzeptiert. Natürliche Autorität genießt er auch in Gatersleben. „Wir sind ein Laienchor“, sagt er und meint das nicht abwertend. Doch deshalb müsse man das Liedgut an die Stimmen anpassen. Für ihn sei es wichtig, dass sich alle anstrengen und alle Spaß am Singen behalten. (mz)
