Viele Diskussionen über ein Kruzifix
Quedlinburg/MZ. - Nach der Entweihung der Stiftskirche durch die SS hatte die Evangelische Gemeinde im Jahr 1958 ein großes Kreuz mit einer gotischen Christusfigur aufgestellt. Diese Figur - eine Dauerleihgabe aus Freyburg an der Unstrut - musste jetzt zurückgegeben werden. Für die Gemeinde, so Pfarrer Ekkehard Steinhäuser, war dies eine schmerzliche Erfahrung. Das Kruzifix hatte die Kirche jahrzehntelang geprägt. Nun, da es um die Neuschaffung eines Kreuzes ging, sei die Frage nach Innovation und Konvention aufgekommen. Das Werk solle die "künstlerische Sprache der Gegenwart" sprechen, so der Pfarrer, und die Möglichkeit eröffnen, neue Erfahrungen mit der Auferstehung zu machen und Fragen aufzuwerfen, ohne sie leicht zu beantworten. Dabei solle es übliche Sehgewohnheiten nicht bedienen und ebenso Bekanntes nicht wiederholen.
Darum bemühten sich auch andere Teilnehmer des Wettbewerbs. So der Quedlinburger Wolfgang Dreysse, der aus vier stählernen Winkeln eine geometrische Figur geschaffen hat, die an ein Kreuz erinnert. Deutlich erkennbar ein Kruzifix dagegen ist die Arbeit von Hermann Kassel aus Köln, der sich mit einer etwas abgewandelten Variante eines Entwurfs für eine Bonner Kirche beteiligt hat. Sein stählernes Kreuz sollte eine Blattvergoldung erhalten.
Mehr um Christus als ums Kruzifix ging es Abanto Mejija Santos. Der in Berlin lebende Südamerikaner hat - ganz in der Tradition seiner Heimat - eine gedrungene, muskulöse Jesusfigur geschaffen. Den Erlöser stellt auch Anna Franziska Schwarzbach - ebenfalls aus Berlin - in den Mittelpunkt. Ihre Arbeit lehnt sich an mittelalterliche Darstellungen an.
Die Jury hätte es allerdings gern modern. Die Fachjury, der Künstler, Kunsthistoriker und Kunstsachverständige angehören, ebenso wie die Sachjury mit Vertretern von Gemeindekirchenrat und Kirchengemeinde. Doch trotz ihres Votums ist nicht klar, ob Leus Entwurf tatsächlich in die Stiftskirche einziehen wird. Das letzte Wort hat der Gemeindekirchenrat. Und, so Besucher der Ausstellung, die Gemeinde müsste schließlich jeden Sonntag mit dem neuen Kruzifix klarkommen.