Ungewöhnliche Klänge in der Kirche
COCHSTEDT/MZ. - Besonders gern werden die Kirchen mit ihrer unvergleichlichen schönen Akustik und dem edlen und erhabenen Flair besucht. So am diesjährigen Muttertag eben auch das Konzert des "Drehorgelorchesters Braunschweig" in der St.- Stephani-Kirche in Cochstedt / Stadt Hecklingen.
Wieder weitreichende und zielgerichtete Werbung bescherte den Gastgebern sehr viele erwartungsfrohe Besucher, die auch über Cochstedt hinaus angereist waren. Allgemeiner Grundtenor der Gäste: man war sehr gespannt, kaum jemand hatte bis dato diese Art der Musikdarbietung "live" und dann in einer Kirche erlebt. Spannung pur war zu erahnen. Die Orgel im dortigen Gotteshaus fristet schon lange ein trauriges Dasein und harrt ihrer dringenden Reparatur und Generalüberholung, wenn denn Mittel dazu da wären... So lud sich der Vorstand des Förderkreises eine enge Verwandte der "Königin der Instrumente", die Drehorgel - hier waren es drei - zum ersten Konzert im Rahmen des Kultursommers 2009 in die Kirche ein.
"Noch mal von vorne..."
Als Bully Buhlan 1947 diesen Schlager sang, wurde dieser so etwas wie die heimliche Hymne der Berliner in ihrer zerbombten Stadt; war man doch froh über jede kleine Ablenkung von Traurigkeit ... Nur stammt leider aus dieser düsteren Zeit der wenig gute Ruf des auch "Dudelkasten" genannten Instruments.....
Doch das Negativ-Image des Leierkastens als der Vorform der heutigen Drehorgeln gehört zum Glück längst der Vergangenheit an. Buhlan hätte sich an diesem Sonntag tief verneigt vor Werner Grevecke, dessen Gattin Ingeborg und beider Mitstreiterin Christa Schappner und neidlos anerkennen müssen, dass hier mit großem Können und souveränem Umgang mit hochmodernen, technisch auf Höchststand ausgestatteten Drehorgeln ein Konzert vom Feinsten regelrecht zelebriert wurde. Die wertvollen Instrumente des Braunschweiger Trios wurden erst vor wenigen Jahren neu gebaut und verfügen über nicht sichtbare, aber wichtige technische Raffinessen. Interessant dabei ist, dass jede Drehorgel in einem Musikstück ihren eigenen Part, aber auch ihr eigenes Solo im Orchester spielt. Gemeinsam klang das fantastisch homogen, handwerklich stilsicher und sauber.
Souverän beherrschte Instrumente
Man achtet ja logisch zuerst auf die Ausführung und Ausstattung der Instrumente. Aber es war ein Genuss, diesen Vollblutmusikern auch zuzuschauen. Jeder Titel lebte schon durch das Mitgehen und die ehrliche Körpersprache der Interpreten. Das war kein automatisches Abspulen eines längst verinnerlichten Programmes, das war Musik pur und ehrlich "rübergebracht". Harmonie und gutes Verstehen des Teams waren unverkennbar zu spüren.
Als sehr gelungen empfand das Publikum die Titelauswahl, die wirklich für jeden Geschmack etwas Schönes bereithielt.
Der bekannte Aha-Effekt
Schon die Reverenz an Rossini, Mozart und Lortzing mit bekannten Titeln wie "Zauberflöte", "Zar und Zimmermann", "Barbier von Sevilla" setzten echte Achtungszeichen und entlockten dem Publikum den bekannten Aha-Effekt.
Imponierend und für den Laien erstaunlich: die exzellente Intonation der Instrumente zueinander. Da stimmte einfach alles! Man merkte den Künstlern die Sympathie für ihr Publikum an. Alles in allem ergaben die 90 Minuten nonstop eine erfrischende Mischung und Abwechslung im Einsatz dieser besonderen Instrumente und entlockten einigen Gästen Bemerkungen wie: "Schade, dass es schon vorbei ist!" Die Musiker freute es natürlich. Aber auch Titel wie "Zirkus Renz", ein "Abba-Song", ein ausschmückende Bearbeitung nach Motiven von J. Last und G. Zamphir, "Griechischer Wein" nach Udo Jürgens und anderes begeisterten und animierten zu Beifall und Zuspruch.
Spontanes Zusatzkonzert
Nicht das eigentliche Anliegen, in einer Kirche zu konzertieren, aus den Augen verlierend, passte der leicht ironisch-nachdenkliche Text "Von Jona und der Stadt Ninive" sehr gut ins Bild dieses wunderschönen Konzertes. Liebenswürdig und zwischen den einzelnen Darbietungen von Grevecke selbst gelesen. Nach dem Konzert spielten die Künstler noch spontan für die Gäste an der Kaffeetafel. An einem sonnigen Frühlingsnachmittag ging man um ein sehr schönes Kulturerlebnis reicher - und viele Gäste mit einer CD der Greveckes - nach Hause.