Gottesanbeterinnen Um Aschersleben fühlen sich bedrohte Gottesanbeterinnen wohl: Kalte Mai-Nächte haben Bestände dezimiert

Aschersleben - Seit inzwischen sieben Jahren hat sich Aschersleben zu einer richtigen Wohlfühloase für eine stark bedrohte und geschützte Art entwickelt. Doch 2020 ist ein schlechtes Jahr für die skurrile Gottesanbeterin. „Die Tiere schlüpfen in der Regel Anfang bis Mitte Mai“, sagt Steve Hahnemann, der ehrenamtlich für den Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) arbeitet.
„Und dieses Mal war der Monat sehr tückisch“, spricht der Ascherslebener von recht ordentlichen Tageshöchsttemperaturen, die sich mit ziemlich kalten, sogar frostigen Nächten abgewechselt haben. „Genau zur Schlupfzeit.“
Das habe augenscheinlich vielen Jungtieren das Leben gekostet, so Hahnemann. Dazu der durchwachsene Sommer, der die Entwicklung der Fangschrecken etwa 14 Tage hinterherhinken lässt.
Gottesanbeterinnen kamen vermutlich 2017 durch einen Lkw-Transport nach Aschersleben
Denn das extrem seltene Tier - immerhin Insekt des Jahres 2017 - stammt eigentlich aus dem warmen Mittelmeerraum. Nach Aschersleben wurde es vermutlich durch einen Laster eingeschleppt, der beim Zoll warten musste. Und so leben inzwischen etwa 200 bis 300 Gottesanbeterinnen im Bereich des Majoranwerkes.
Nur eben nicht in diesem Jahr. Davon hat sich Steve Hahnemann, der die Vorkommen zum Kartieren an das Naturkundemuseum Brandenburg weiterleitet, gemeinsam mit Uwe Nielitz vom Naturschutzbund (Nabu) nun ein Bild gemacht. Derzeit leben am Majoranwerk geschätzt nur noch 100 Tiere - also etwa ein Drittel des normalen Bestandes.
„Doch keine Angst, aussterben werden sie nicht“, winkt Hahnemann ab und berichtet von einer cleveren Art der Überlebensversicherung der Tiere: „Bei der Gottesanbeterin ist es so, dass immer einige wenige Ei-Pakete deutlich später reif werden. Dadurch schlüpften noch Tiere nach der Kaltphase.“
„Selbst bei Güsten wurden sie schon gefunden“, berichtet Steve Hahnemann
Mittlerweile sei die Art in den letzten zehn Jahren schon in einigen Teilen Sachsen-Anhalts heimisch geworden. Vor allem im Raum Halle und Merseburg, aber auch im Mansfelder Land. Ganz gute Bestände scheinen sich inzwischen auch rund um Aschersleben aufgebaut zu haben.
Der 39-Jährige berichtet von zahlreichen Meldungen auf Facebook, bei denen Eine-Städter Fotos von den Schrecken präsentieren. „Selbst bei Güsten wurden sie schon gefunden.“
Deshalb bittet der BUND-Mann die Bürger, solche Funde entweder bei ihm oder der Unteren Naturschutzbehörde zu melden - mit Datum, Fundort und wenn möglich mit kleinem Foto.
„Um die Ausbreitung der immer noch unter strengem Schutz stehenden Art zu dokumentieren. Und so auch neue Vorkommen zu entdecken.“ Denn seiner Meinung nach sei die Fangschrecke auf einem schnellen Vormarsch.
„Wahrscheinlich sind die Gottesanbeterinnen sogar deutlich häufiger anzutreffen, aber aufgrund ihrer Lebensweise oft nur schwer nachzuweisen.“ Sind die Tiere doch Meister der Tarnung. Ihre Färbung reicht von einem leuchtenden Grün bis hin zu einem erdigen Braun. An Gräsern sind die Fangschrecken, auch Mantis genannt, deshalb schwer zu entdecken. Und wenn sich Wolken an den Himmel schieben, gehen sie unter den Blättern in Deckung.
Doch um es den in diesem Jahr dezimierten Gottesanbeterinnen nicht noch schwerer zu machen, appelliert Hahnemann, die Flächen nach dem Nachweis der Art richtig zu pflegen. „Die Mahd sollte zuletzt spätestens Ende April erfolgen mit einer Schnitthöhe nicht unter zehn Zentimetern, um die Eipakete nicht zu zerstören.“ Danach sollte frühestens erst wieder Mitte Oktober gemäht werden, wenn die Weibchen ihre neuen Eier abgelegt haben. Aber auch dann nicht unter zehn Zentimetern Höhe.
Übrigens, verrät Hahnemann weiter, stehe demnächst die Paarungszeit an. Dann werden die grazilen Fangschrecken abends vom Licht angelockt. „Mit etwas Glück kann man sie da an Hauswänden und unter Straßenlaternen entdecken.“
Wer Gottesanbeterinnen entdeckt, kann sie per E-Mail unter [email protected] melden. (mz)