Stiftskirche Quedlinburg Stiftskirche Quedlinburg: «Geläut eines Domes würdig»
Quedlinburg/MZ. - Die Quedlinburger Stiftskirche auf dem Schlossberg hat wieder ein vollständiges Geläut. Der Superintendent des Kirchenkreises Halberstadt, Christoph Hackbeil, weihte am Sonntag in einem festlichen Gottesdienst drei neue Glocken.
"Glocken rufen Christen zum Gebet und Nichtgläubige vielleicht zur Besinnung", sagt Dr. Ekkehard Steinhäuser, Pfarrer des Quedlinburger Kirchspiels, zu Beginn des Gottesdienstes. In der Stiftskirche jedoch war der Klang der Instrumente über Jahrhunderte hinweg mal lückenhaft, mal unharmonisch, mal schwiegen sie gar ganz.
Das wohl im Mittelalter komplette Geläut des Domes soll nach alten Überlieferungen am 27. November 1705 einem Blitzschlag zum Opfer gefallen sein - der ließ nicht nur den Turm in Flammen aufgehen, sondern auch drei Glocken zerspringen, wie die Vorsitzende des Kirchspiels, Johanna Schmidt-Schleiff schilderte. Nur eine große Glocke, sie existiert noch heute, wurde im Jahr darauf erneuert, zwei weitere folgten 1729. Allerdings wurde das Geläut in den Jahren ständig umgebaut, weil Glocken zersprangen oder für Kriegszwecke eingeschmolzen wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg existierte nur noch eine, die Aurora, erst 1959 konnte wieder eine zweite hinzugekauft werden, so Schmidt-Schleiff. 1994 jedoch musste das Geläut wegen seines schlechten Zustandes außer Betrieb genommen werden. Ein Jahr darauf bekam zunächst die große Glocke ein neues Joch, doch der Stuhl der zweiten musste ersetzt werden. Die Gemeinde stand vor der Frage, ob sie einen Glockenstuhl für nur ein Instrument wollte, oder aber einen für mehrere. Man entschied sich für letzteres, "das war einhellige Meinung, egal wie lange es dauert", erklärte die Vorsitzende des Kirchspiels.
Sonntag nun fand das lange und finanziell aufwändige Ringen um ein neues Geläut sein vorläufiges Ende. Dank der Ostdeutschen Sparkassenstiftung und der Kreissparkasse Quedlinburg, die das Gros des Baus des Glockenstuhls und des Gießens von drei weiteren Glocken mit einer nicht genannten Summe finanzierten, sowie zahlreichen Privatspenden, verfügt die Stiftskirche nun über insgesamt fünf Glocken. "Das neue Geläut ist eines Domes würdig", sagte Superintendent Hackbeil zur Weihe der Sakraments-, der Gebets- und der Sterbeglocke. In Februar waren die zusammen mehr als 1,5 Tonnen schweren Instrumente in Passau gegossen worden. Anschließend erhielten sie ihr individuelles Antlitz: Die Quedlinburger Künstler Joachim Müller und Wolfgang Fischer schufen für jede Glocke ein umlaufendes Bild. Menschen, die sich an den Händen fassen, auf der Sakramentsglocke, ausstreckende Hände auf der Gebetsglocke und rankende Pflanzen, die Halt suchen, auf der Sterbeglocke. Zudem ziert jedes Instrument ein entsprechendes Bibelzitat.
Domkantor Gottfried Biller ließ die drei neuen Glocken, die zur Weihe vor dem Altar standen, zum ersten Mal erklingen. Mit den beiden anderen im Glockenstuhl sollen sie erst in den nächsten Wochen vereint werden, um sie dann am Heiligabend zum ersten Mal gemeinsam zu läuten.