Stephanikirche in Aschersleben Stephanikirche in Aschersleben: Am Staub der Jahrhunderte

Aschersleben - Das Gerüst mitten im Kirchenraum der Stephanikirche kündet davon: Die Restaurierung der reich mit Figuren geschmückten Kanzel aus dem Jahr 1656 hat begonnen. Drei Frauen arbeiten in mehreren Metern Höhe an dem barocken Kunstwerk: Katrin Brinz, Franziska Schott und Friederike Vogelmann aus Halle.
Für die 47-jährige Katrin Brinz ist die Arbeit an der Kanzel nicht die erste in Aschersleben. Sie hatte 2012 bereits das Herwig-Epitaph restauriert und im vergangenen Jahr am Cranach-Marienaltar mitgearbeitet. Nun also die barocke Kanzel, die den Restauratorinnen sehr viel Arbeit beschert. „Es ist schon ein sehr großer Auftrag“, sagt die Hallenserin, und sie schätzt, dass sich die Arbeiten am Schalldeckel mit den 19 Figuren bis zum Oktober hinziehen werden.
Irgendwann hatte die Kanzel eine zweite Bemalung erfahren, „die leider nicht sehr qualitätvoll ausgeführt wurde“, zeigt Katrin Brinz auf grüne Lackfarbreste. Zusammen mit den Verschmutzungen der Jahrhunderte sorgen diese dafür, dass das eigentlich prächtige Kunstwerk heute keine Augenweide mehr ist. „Die Kanzel entspricht dem barocken Formenkanon“, sagt die Restauratorin, doch die vielen Figuren, so sagt sie, machen sie zu etwas Besonderem. „Sie ist schon ein sehr prächtiges Stück.“ Das sieht auch Dorothee Mücksch, Pfarrerin i. R., so. Sie war es, die die Restaurierung initiiert hat und dafür höchstselbst auf die Suche nach Spendern und Sponsoren gegangenen ist.
Für die Restauratorin und ihre Kolleginnen kommt es nun darauf an, die Originalsubstanzen möglichst zu erhalten. „Alles andere würde das Original zu sehr verfälschen“, erklärt sie. Ursprünglich hatte der Künstler die Kanzel in Schwarz, Weiß und Gold gefasst. In mühevoller Kleinarbeit werden nun lose Farbreste mit Hilfe eines tierischen Bindemittels angeklebt und Fehlstellen ergänzt. „Wir werden ziemlich viel neu vergolden müssen“, ahnt Frau Brinz nach den ersten Arbeitstagen auf dem Gerüst. Die störende grüne Farbe wird abgenommen. Die lockeren Teile lassen sich mit dem Skalpell entfernen, für die festen „hoffe ich noch ein Lösungsmittel zu finden, das geeignet ist“, sagt sie. Wenn Kunstgegenstände in früherer Zeit übermalt wurden, hatte das viel mit Zeitgeschmack zu tun. Als Beispiel nennt sie ihre Arbeit in der gotischen Kirche in Hergisdorf. Diese war 30 Jahre lang geschlossen, der in Disney-Manier übermalte Altar wurde freigelegt und offenbarte wunderschöne Figuren. „Der Altar hat sich im Laufe der Arbeiten so verändert, die Figuren sind so lebendig geworden, dass man nur staunen kann“, sagt die Restauratorin, die seit 1999 freischaffend tätig ist. „Heute versuchen wir, uns mit anderen Farbvarianten zurückzuhalten, um dem Original möglichst nahezu- kommen.“
Die ersten beruflichen Schritte ging Brinz in der Moritzburg Halle und im Schloss Sanssouci Potsdam, wo sie während des Vorpraktikums im Chinesischen Teehaus und in der Möbelrestaurationswerkstatt mitarbeitete. Ihr Studium absolvierte sie in Hildesheim und in Dresden. Aufgrund ihres Praktikums wusste sie da schon: „Für diese Arbeit braucht man eine besondere Art von Geduld. Es ist speziell, drei Stunden an einer Stelle zu hocken ohne zu sehen, dass es vorangeht.“ Einen anderen Beruf kann sie sich trotzdem nicht vorstellen. Ihre Kolleginnen übrigens auch nicht. (mz)
