Sexualunterricht im Ameos-Klinikum Sexualunterricht im Ameos-Klinikum: Rucksack vor dem Bauch

Aschersleben - Schuhe zubinden? Geht schlecht. Auf das Sofa legen? Nur mit Mühe. Und dann wieder aufstehen? Nur mit Hilfe. Der Rucksack vor dem Bauch stört gewaltig.
Drei Kilo Inhalt hat Hebamme Katrin Herrmann dort reingepackt. Zwar sind es in diesem Fall Milch, Zucker und Mehl. Trotzdem kann sie so demonstrieren, wie sich eine hochschwangere Frau mit dickem Bauch fühlen muss. Kevin und Tobias, aber auch Stefanie, die den Rucksack einmal vor den Bauch geschnürt bekommen hat, geraten ins Staunen. Mit diesen Schwierigkeiten hätten sie nicht gerechnet.
Aufklärung ist wichtig
Die Schüler der Ascherslebener Lernbehindertenschule sind zum Projekttag in die Frauenklinik des Ameos-Klinikums gekommen, um etwas mehr über Schwangerschaft und Geburt zu erfahren. „Diese Veranstaltung findet im Rahmen unseres Sexualunterrichts statt. Der Besuch des Kreißsaals ist der Höhepunkt“, erklärt Lehrerin Maren Klinkert. Aufklärung sei gerade in diesem Alter wichtig. So habe man bereits in der Schule über Partnerschaft und Sexualität gesprochen und sich unter anderem auch den Film „Sieben Sommersprossen“ angesehen.
Die elf Jugendlichen, die an diesem Vormittag in das Klinikum gekommen sind, sind zwischen 16 und 18 Jahre alt. „Und wir haben auch ein Pärchen dabei“, verrät sie weiter. So sei man auf die Idee gekommen, sich das Klinikum als Partner in Sachen Aufklärung zu suchen.
Projekt ist Premiere
Für Hebamme Katrin Herrmann war das Projekt eine Premiere. Die Hebamme, die auch dafür ausgebildet ist, Präventionsarbeit in Schulen durchzuführen, erklärt hier Schwangerschaft und Geburt kindgerecht. „Das macht sie hervorragend. Sie geht sehr einfühlsam mit den Jugendlichen um, zieht sie ins Gespräch und gestaltet diesen Unterricht sehr locker, praxisnah und verständlich“, sind sich die Lehrer einig, die die geistig behinderten Jugendlichen begleiten.
Neugierig und später ohne Scheu stellen die Schüler der Hebamme Fragen, während diese das Fortschreiten der Schwangerschaft in jedem einzelnen Monat erklärt. Wie schnell wächst das Baby? Wann hört es etwas? Wie bekommt das Kind seine Nahrung? Wie bewegt es sich und wann geht die Geburt los? Und noch viele Fragen mehr werden in diesen anderthalb Stunden geklärt.
Zwischendurch dürfen die Mädchen und Jungen, Willi - die Babypuppe der Station - in den Armen wiegen. Bis dann endlich Sabine auf die Welt kommt. Diese schlüpft aus einem Stricksack, den die Hebamme als Demonstration mitgebracht hat. Sogar die Nabelschnur heißt es nun durchzutrennen. Diese Arbeit übernehmen zwei Schülerinnen. Obwohl die Jugendlichen sich ab und zu ein Kichern nicht verkneifen können, sind sie voller Aufmerksamkeit.
Zum Abschluss der ungewöhnlichen Unterrichtsstunde darf der Kreißsaal in Augenschein genommen werden. „Unseren Schülern hat es sehr gut gefallen“, schätzt Maren Klinkert abschließend ein. „Ich denke, man könnte die Veranstaltung heute hier als einen Grundstein für weitere betrachten“, erklärt Hebamme Katrin Herrmann. Nun müsse man sehen, ob der Bedarf an Schulen für eine Unterrichtsstunde in Sachen Schwangerschaft und Geburt vorhanden ist.
