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Seltenes Hobby Seltenes Hobby: Rentnerleben mit Napoleon und hübschen Hexen

Von Detlef Anders 23.07.2004, 15:12

Güntersberge/MZ. - Arnfried Müller ist Zinngießer. Seine Hexe ist als Souvenirartikel vor allem in Thale gefragt. Seit den siebziger Jahren beschäftigt sich Müller mit dem Gießen von Zinnfiguren. Der frühere Lehrer unterrichtete an einer Offiziershochschule in Sachsen und als dort eine Arbeitsgemeinschaft Zinngießen eingerichtet wurde, war er mit seinem Sohn mit von der Partie. Von der Pike auf lernte er den Umgang mit dem flüssigen Metall, wie man Formen graviert, Serien plant und Figuren bemalt. Seitdem er in den Vorruhestand ging, füllt ihn das Zinngießen aus. Arnfried Müller ist in der Szene bekannt und hat sich einen Namen erarbeitet. Weniger mit kleinen netten Hexen für Thale, als vielmehr mit Zinnfigurenserien aus der Zeit der napoleonischen Kriege.

"Der Tod des Marschalls Duroc" mit Napoleon am Totenbett, "Napoleons Tod auf St. Helena" oder "Die Bestrafung einer Marketenderin", hat Müller als kleine Dioramen mit einer ganzen Reihe von Figuren und Inventar angefertigt und selbst per Hand bemalt. "Jedes Jahr kommt eine Serie hinzu", meint er lächelnd mit stolzem Blick. Trotzdem sind diese Serien ein Zuschussgeschäft. Die Zahl der Sammler ist gegrenzt. Wenn die Arbeitszeit für das Bemalen gerechnet werden würde, könnte kaum noch jemand die Figuren verkaufen. Pro Figur rechnet Müller mit einem Tag reiner Malzeit. Da mit dem Grundieren, dem Auftragen der Ölfarben bis zum Lackieren durch das Trocknen viel Zeit vergeht, dauert es vom ersten Pinselstrich bis zum fertig getrockneten Zinnsoldaten fast zwei Wochen. Das Gießen der Zinnfiguren ist dagegen nur Minutensache. Aber bevor es zum Gießen kommt, ist filigrane Feinarbeit nötig.

Eigentlich beginnt der Prozess bereits bei der Ideenfindung. Ein umfangreiches Archiv an Literatur über die Zeit Napoleons hilft Arnfried Müller bei der Ideenfindung. Gemälde, Zeichnungen oder Episoden werden in Figuren umgesetzt, die letztlich als selbst gestaltetes Diorama ihren Glanzpunkt finden können. Für die Hintergrundgestaltung treibt er es sogar so weit, dass er ein Gemälde aus dem Schloss Sanssouci verkleinert hat bis es in solch ein Diorama mit drei Zentimeter großen Zinnfiguren passte.

Alle zwei Jahre fährt Müller mit seinen Figuren zur größten Sammlerbörse nach Kulmbach. "Man kann damit keinen Gewinn machen", unterstreicht er. Trotzdem hat er das Zinngießen als Gewerbe angemeldet. Vielleicht profitieren die Kinder und Enkel eines Tages von den Serien.

Nachdem Müller in den Vorruhestand ging, zog er aus Ostsachsen wieder in seine Heimatstadt Halberstadt. Hier engagierte er sich und gab eine Zinnfigurenreihe mit Halberstädter Persönlichkeiten heraus. So haben Halberstadt-Sammler heute Flachreliefs von Gemm, Spiegel oder dem Gründer der Würstchenfabrik, dem Halberstädter Dom oder der Martini-Kirche im Haus. Für Güntersberge, wo er seit dem vergangenen Jahr wohnt, sei solch ein Engagement kaum umsetzbar - vielleicht einen Ritter von der Güntersburg, überlegt Müller. Falls ihn Quedlinburger ansprechen würden, könnte er sich vorstellen, auch von Klopstock oder Dorothea Erxleben Zinnfiguren anzufertigen.

Arnfried Müller ist fast täglich in seiner Miniwerkstatt oder dem Arbeitszimmer zu finden. Unterstützt wird er von seiner Frau Irmgard, die dann mit dem Entgraten und Polieren beschäftigt ist. Die Gravuren der Blauschieferplatten bewerkstelligt Müller allerdings nicht selbst. Er greift hier auf andere Fachleute zurück. Die Kunden legen Wert auf Detailgetreue - und die reicht bis zur richtigen Farbe des Uniformknopfes. Problematisch sind mitunter die Rückenteile der Uniformen. Auf den Gemälden sind die Soldaten und Generäle nur von vorn zu sehen.

In den nächsten Wochen hat der Rentner wieder viel zu tun. Nachdem jetzt ein neue Hexe mit rundem Buckel und Minikatze speziell als Souvenir für den Harzer Hexenstieg entwickelt wurde, soll es in Zusammenarbeit mit dem Metallgestalter Wolfgang Holzhauer bald eine vergoldeten Odin-Kopf auf Zinngussbasis geben. Und vielleicht können Neugierige Müller wie beim Bahnfest in Güntersberge Anfang Juni mit seinem Zinnofen auch bei einem anderen Höhepunkt mal wieder über die Schulter schauen und auch staunen, wie solch eine kleine Hexe entsteht.