Schreibwerkstatt in der Kulturanstalt Schreibwerkstatt in der Kulturanstalt in Aschersleben: Mut wird am Ende belohnt

Aschersleben - Worte können berühren, ermuntern, nachdenklich stimmen - die Palette, die es gibt, um mit Wörtern kurz und prägnant „Farbe“ zu bekennen und einen Einblick in seine Ansicht über ein Thema zu geben, ist vermutlich so vielfältig wie eine Farbpalette. Dieser ausdrucksbetonten „Farbpalette“ hat sich Jenny Reichert bedient.
Die 21-Jährige beschreitet mit dem Texten eines längeren Reims zum Thema „Sammeln“ einen neuen Pfad.
Schreibwerkstatt in der Kulturanstalt: Kreative Feinjustierung für Erzieherin
„Über Internetvideos habe ich mich schon mit Poetry Slam bekannt gemacht“, erzählt die angehende Erzieherin. Die kreative Feinjustierung gelingt mit Hilfe von Katja Hofmann. Unter Slammern ist die junge Frau bekannt wie ein bunter Hund. Insbesondere wegen ihrer liebenswürdig-frechen Texte.
Hofmann betreibt Poetry Slam seit 2008. Rund 100 Texte hat sie für diese Stilrichtung bereits verfasst. Jährlich kommen zwischen zehn und 20 neue Beiträge dazu.
In den Mittelpunkt rückt die 32-Jährige alles, was sie in ihrem Alltag vorfindet. Manchmal inspirieren sie bereits Gesprächsfetzen oder aber Auftragswerke, sich mit diesem oder jenem Thema eingehender zu beschäftigen.
Schreibwerkstatt in der Kulturanstalt: Jenny Reichert bringt ihren ganzen Mut auf
Diesmal verleitet sie das Projekt „Eine Stadt - dein Museum“ zu einem Exkurs, was Poetry Slam eigentlich bedeutet. Unter Anleitung der „Meisterin“ versucht sich Jenny Reichert in zwei Stunden an einem Text zum Thema „Sammeln“.
Die junge Ascherslebenerin ist nach den zwei Stunden auch die einzige, die den Mut aufbringt, ihren Text öffentlich auf dem Holzmarkt zu Gehör zu geben. Etwas Aufregung schwingt da schon mit, aber die Leidenschaft überwiegt. Und ihr Text ist gut.
Sie spricht von Erinnerungen, steten Urlaubsreisen an die Ostsee und Steinesammeln. „Sind es nur die schönen und glatten wert eingesammelt zu werden, oder auch die kaputten?“, fragt sie rhetorisch.
Die Quintessenz ist voraussehbar, aber dennoch eingängig. Jeder Stein und jede Erinnerung - egal ob gut, schön, defekt oder schlecht - sind es wert, erhalten zu werden.
Der Reim berührt durch seine Symbolik. Er ist so schön, dass er nun in der Ausstellung Private Schätze im Museum ab kommenden Sonnabend in einer Vitrine zu lesen sein wird. Das kündigt die künstlerische Leiterin des Projektes, Annett Krake, an.
Die erste Rede in Slam-Manier
Krake selbst wird nächsten Sonnabend die Eröffnungsrede halten. Und an der hat die Endvierzigerin in einem übersichtlichen Teilnehmerkreis ebenfalls gearbeitet. Die Rede wird Krake kommende Woche als Slammerin vortragen. Schreibt Krake seit 15 Jahren Reden, so wird es ihre erste in Slam-Manier sein.
Mit dem Workshop zum Slammen sollte eine größere Zielgruppe angesprochen werden, sagt die Projektleiterin. „Aber neue Formate sind in Aschersleben schwierig“, ergänzt sie. Und das, obwohl üppig Werbung gestreut wurde. Ein zweiter, ähnlicher Workshop mit Wortakrobatin Hofmann sei denkbar, aber noch in einiger Ferne.
„Ähs“ und „Öhms“ können ruhig auch auf dem Papier landen
Die Texterin Hofmann hat bei Jenny Reichert zumindest Motivation hinterlassen, weiterzumachen. „Beim Slammen muss ich mich an keinen Versfuß halten und kann meine Gedanken auch ordnen“, erzählt Reichert. Zu den wertvollsten Ratschlägen beim Slammen gehört fortan, dass bei Schreibblockaden alle Gedanken - auch „Ähs“ und „Öhms“ - mit auf dem Papier landen können.
Wer den Text hat, hat bereits die halbe Miete. Hofmann weiß das. Die anderen 50 Prozent kommen durch die Bühnenpräsenz des Vortragenden. Ihre Pointen gestaltet Hofmann überspitzt und bei feministischen Themen mit geballter Kraft aus der schmalen Kehle geschleudert.
Und: Ein „zu alt“ fürs Slammen gibt es nicht. Der älteste, 2018 verstorbene Slammer wurde 89 Jahre alt. Auf unbekannte Zeit bleibt auch Katja Hofmann ihrem Hobby treu. Ihr Anspruch: über solches Texten einen anderen Zugang zur Literatur zu bieten. (mz)