Salzlandkreis Salzlandkreis: Schachtsee-Campern steht das Wasser bis zum Hals
ASCHERSLEBEN/WOLMIRSLEBEN/MZ. - Liesbeth und Franz Gäbler sind voller Wut, Enttäuschung und werden von Zukunftsängsten geplagt. In den letzten Wochen haben sich die beiden Ascherslebener manche Nacht um die Ohren geschlagen und sich immer wieder die Frage gestellt: Warum hilft uns niemand? Das Rentnerehepaar hat sich seit 1977 auf dem Campingplatz am Schachtsee Wolmirsleben eine zweite kleine Heimat aufgebaut.
Zigtausend DDR-Mark, Mark und Euro investiert, um die Wochenenden, den Urlaub und jetzt den Ruhestand an dem idyllischen Flecken Erde genießen zu können. In seiner "kleinen Datsche", wie Franz Gäbler seine 110 Quadratmeter gepachtete große Parzelle liebevoll nennt, haben die Rentner miterlebt, wie die beiden Söhne heranwuchsen und es genossen, die Enkel mit großelterlicher Fürsorge zu verwöhnen. Haben ihr Domizil mit der Zeit von einem Zelt zu einem gemütlich und komfortabel ausgestatteten Wohnwagen erweitert. Und sich den Nachbarn so angenähert, dass Freundschaften für gute und schlechte Zeiten entstanden sind. Doch seit Mitte Januar ist die Gefahr immer größer geworden, dass die Mühen der Jahre im wahrsten Sinn des Wortes den Bach heruntergehen.
Denn die Parzelle der ehemaligen Schneiderin und des Diplombetriebswirtes steht unter Wasser. Tausende Kubikmeter Wasser haben sich von den angrenzenden rund 50 Hektar großen Feldern über einen Bachlauf den Weg in den Schachtsee gebahnt und diesen meterweise ansteigen lassen. Der trat über die Ufer und überflutete große Teile des Campingplatzes, verschlammte Wege und Plätze und es fand das Wasser auch seinen Weg in die Keller der Wohnhäuser der Schachtsee-Anrainer. Noch in diesen Tagen sind es täglich rund 2 000 Kubikmeter Wasser, die den See speisen. Der könnte diese Mengen eigentlich verkraften, denn Wasserzuflüsse in diesen Größenordnungen sind zwar nicht alltäglich, aber auch nicht ungewöhnlich. So erinnert sich Franz Gäbler an einen Wolkenbruch im Jahr 1977, der ähnliche Zustände mit sich brachte. Doch im Jahr 2011 hat sich die Situation verschärft. Das natürliche Umfeld ist wasser-gesättigt und was für die rund 300 betroffenen Anrainer noch viel schlimmer ins Gewicht fällt: Ein Abflusskanal in die nahe gelegene Bode gibt es nicht. Auch das Grabensystem, welches sonst das Wasser in die Bode ableitete, wurde schon vor Jahren zugebaggert. "Was jetzt hier passiert, ist für uns ein tiefer Dolchstoß", ist der 71-jährige Franz Gäbler frustriert. Denn die Gäblers und alle anderen Betroffenen fühlen sich in ihrer Situation einfach nur im Stich gelassen. Sie hatten alle Hebel in Bewegung gesetzt. Die Gemeinde, die Verwaltungsgemeinschaft Egelner Mulde, die Landkreisverwaltung und auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsidenten angeschrieben oder persönlich aufgesucht und auf Hilfe gehofft. Vergebens, denn Bewegung in die Sache kam erst, als auch die Medien das Thema in das Licht der Öffentlichkeit rückten. So lässt die Verwaltungsgemeinschaft in Abstimmung mit der Landkreisverwaltung erst ab Mittwoch im Zuge der Gefahrenabwehr eine Verbindung vom Totlebener See in die Bode herstellen, um den Wasserspiegel aller Seen abzusenken. "Das ist die Maßnahme, die erst einmal am schnellsten Wirkung zeigt", erklärt Ingrid Schildhauer, Pressesprecherin der Landkreisverwaltung. Den Wasserspiegel durch Abpumpen zu senken, wie es beispielsweise am Löderburger See praktiziert wird, können sich die Wolmirslebener nicht leisten. "Diese Interesselosigkeit tut in der Seele weh", ist Franz Gäbler enttäuscht. Noch mehr schmerzt es den Ascherslebener, dass immer wieder als Ursache von offizieller Seite der Grundwasserspiegel ins Spiel gebracht werde. "Das ist nicht glaubhaft", widerspricht Franz Gäbler.
Um nicht billigend weiterhin in Kauf zu nehmen, dass Anwohner und Camper immer wieder "absaufen", fordern diese, dass der kleine Bach, von dem aus sich die Wassermassen in den See ergossen, verlegt wird. Geklärt werden soll auch, ob der Pegel des Schachtsees dadurch gesenkt werden kann, dass einer der benachbarten Seen einen direkten Abfluss in die Bode bekommt. Denn derzeit wird davon ausgegangen, dass die Seen einen unterirdischen Verbund, resultierend aus unterirdischen Stollen des ehemaligen Bergbaus, bilden. Dass Hilfe und Engagement von außen kommt, glauben die Betroffenen nicht mehr. Sie sind momentan davon überzeugt, dass sie sich zu einer Bürgerinitiative zusammenschließen müssen, um gehört zu werden.