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Salzlandkreis Salzlandkreis: Klingelschild manipuliert

Von DETLEF VALTINK 25.06.2010, 17:54

ASCHERSLEBEN/MZ. - Das hätte sich der Ascherslebener Steffen L. nie in seinen kühnsten Träumen vorgestellt. Der 42-jährige Baumaschinist bekam Anfang vorigen Jahres Post von einem Inkasso-Unternehmen, welches im Auftrag des Quelle-Versandhandels bei dem Ascherslebener Geld eintreiben sollte.

Rund 175 Euro für eine Uhr und ein paar Schuhe, die Steffen L. im Juni 2008 bei "Quelle" bestellt, aber nie bezahlt haben soll. Doch der Einestädter war noch nie Kunde bei dem Unternehmen. Bei seinen Recherchen stieß er dann auf eine Lieferadresse in Aschersleben, auf die er sich keinen Reim machen konnte. Sein Glück im Unglück war, dass er in dem Haus auf Isolde A. traf, die Licht in das Dunkel des ominösen Kaufes bringen konnte.

Sie hatte beobachtet, dass der Nachbar André W. zum Bestellzeitpunkt am Klingelschild des Hauseinganges neben seinen Namen auch den von Steffen L. anbrachte. Und auch am Briefkasten das Namensschild mit einem Pflaster überklebt war und jetzt auf Steffen L. lautete. Dazu kam, dass ihre Nachbarin, Cindy W., die Ehefrau von André W., ein Quelle-Paket für Steffen L. entgegengenommen hatte. Drei oder vier Tage später, das hatte Isolde A. registriert, waren die Namensänderungen dann wieder verschwunden. Isolde A., die keinen Hehl daraus machte, mit ihren ehemaligen Nachbarn kein "freundschaftliches Verhältnis" gepflegt zu haben, empfahl Steffen L., zur Polizei zu gehen und erklärte sich gleichzeitig bereit, als Zeugin auszusagen.

"Das war mein Glück", schilderte Steffen L. jetzt Strafrichter Jürgen Hermsdorf vor dem Amtsgericht Aschersleben, der darüber zu urteilen hatte, ob André und Cindy W., mit deren Bruder Rico H. gemeinschaftlich handelnd und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, das Versandhaus betrogen hatten. In den Vernehmungen der Angeklagten stellte sich heraus, dass Rico H. Drahtzieher und Organisator des Betruges war. Er hatte im Internet die Bestellung unter einem wahllosen Namen und mit falscher Lieferadresse ausgeführt und dann seine Schwester gebeten, das Paket, welches er auch nur für einen Kumpel annehmen sollte, in Empfang zu nehmen. Die 32-Jährige wollte ihrem Bruder die Gefälligkeit nicht abschlagen. Obwohl sie ahnte, dass hier "nicht alles in Ordnung" sein könnte. Dabei versuchte Rico H. zunächst die Schuld nur auf sich allein zu beziehen, indem er dem Gericht erklärte, dass André W. mit "der Sache nichts zu tun habe".

Aufgrund der Zeugenaussage von Isolde A. schenkten Staatsanwaltschaft und Richter dieser Aussage wenig Glauben, auch wenn Rico H. versuchte, die Streitigkeiten zwischen den ehemaligen Nachbarn als möglichen Grund für eine "Rache" und damit Falschaussage von Isolde A. darzustellen. Denn Isolde A. wollte auch gesehen haben, dass Cindy W. den Empfang des Paketes auch mit Steffen L. quittiert hat, was sich später als nicht richtig herausstellte. Warum Cindy W. und Rico H. André W. nicht belasten wollten, wurde dem Gericht angesichts dessen Vorstrafen deutlich. André W. hatte sich vor Gericht bereits für 21 Straftaten zu verantworten - von Diebstahl über mehrfaches Fahren ohne Fahrerlaubnis, Unfallflucht, Betrug, Hehlerei, Erpressung bis hin zu Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Und hatte möglicherweise wieder mit einer Haftstrafe zu rechen.

Von dieser sah das Gericht letztendlich ab, da André W. seit Beginn seiner Beziehung zu Cindy W. sich jahrelang nichts mehr zuschulden hat kommen lassen. So wurde André W. zu einer Geldstrafe von 350 Euro und Rico H. - der sich bei Steffen L. entschuldigt hat - zu 1 050 Euro Geldstrafe verurteilt, da sie, so Richter Jürgen Hermsdorf, sehr aufwendig das Ganze inszeniert hätten. Cindy W. muss wegen Beihilfe zum Betrug 150 Euro zahlen. Zudem haben die drei Ascherslebener die Kosten des Strafverfahrens zu tragen.