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Salzlandkreis Salzlandkreis: Hefe entpuppt sich als vielseitiges Talent

Von REGINE LOTZMANN 09.06.2011, 16:19

GATERSLEBEN/MZ. - Arxula. "Das ist unser Haustier", lacht Kristina Florschütz. Nein, kein wirkliches Tier, handelt es sich bei Arxula adeninivorans doch um eine Hefe mit ungewöhnlichen Eigenschaften. Sehr robust. "Eine Art Allesfresser", nickt Gotthard Kunze, Leiter der Arbeitsgruppe Hefegenetik, die sich am Gaterslebener Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) mit Hefen und Pilzen beschäftigt. "Damit", erklärt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Kristina Florschütz, "wird hier in der Arbeitsgruppe viel gemacht." Früher wurde Arxula als Futterhefe verwendet, heute ist sie die Basis der Biosensoren, die die Gaterslebener Wissenschaftler entwickeln.

So wie der Östrogen-Test, mit dem Abwässer oder Urin untersucht werden können. "Östrogen wird durch die Pille über den Urin ausgeschieden; wenn eine Milchkuhanlage in der Nähe ist, ist die Belastung des Abwassers mit Östrogen sogar noch größer - und das ist schwer wieder abbaubar", weiß Gotthard Kunze und erzählt auch von Östrogenaktivitäten im Urin, die mit Hilfe des in Gatersleben entwickelten Sensors nachgewiesen werden können. "Hier weiß man, ob Tier und Mensch gedopt sind oder nicht."

Dabei sei der nun von einem Industriepartner vertriebene Östrogen-Test, der unter anderem für Umweltämter und Krankenhäuser von Interesse ist, äußerst handlich und einfach im Gebrauch. Wissenschaftler Martin Giersberg zeigt auf ein paar Fläschchen und Platten. "Die Hefe wird zuerst in einem Medium aufgelöst, anschließend in die Platten eingefüllt und mit den zu untersuchenden Proben versehen", zählt der wissenschaftliche Mitarbeiter die überschaubaren Arbeitsschritte auf. Am nächsten Tag dann werde die Hefe von der Flüssigkeit getrennt, einem Enzymtest unterworfen und per dazugehöriger Software ausgewertet. Fertig.

"Wobei nicht die Konzentration der Substanz gemessen wird, sondern deren Aktivität - es wird ein Reportergen aktiviert, also ein Enzym, und das kann man dann nachweisen", klärt Gotthard Kunze auf und berichtet auch von anderen Biosensoren, an denen die rund 20-köpfige Gruppe gerade arbeitet. So wollen die Gaterslebener Wissenschaftler diese Rezeptoren auch für Nachweise in der Medizin nutzen - zum Beispiel beim Brustkrebs. Oder um Hormone im Blut zu erkennen.

Und auch der Bergbau hat Interesse an den Forschungen im IPK. "Denn es gibt Hefestämme, die verschiedene Fremdstoffe, zum Beispiel Schwermetalle, aufnehmen", erklärt Martin Giersberg und sieht die Verwendung bei der Entgiftung von Böden oder eben im Bergbau, wenn Metalle trotz relativ geringer Konzentration abgebaut werden sollen. Denn diese Hefe nimmt so lange Metalle - wie Kupfer oder Nickel - auf, bis sie sich selbst umbringt und "abgeerntet" werden kann. "Kamikazehefe eben", bringt es Kristina Florschütz auf den Punkt.

Benutzt werden können Hefestämme - die übrigens nichts mit der normalen Bäckerhefe zu tun haben - aber auch, um günstig Proteine herzustellen, weil sie Teile der chemischen Synthese ersetzen, sie einfacher und billiger machen können. Oder auch Produkte als Kerosinersatz, also Treibstoff für Flugzeuge, können von Hefen synthetisiert werden.

Genau so interessant ist die Arbeit mit Mykorrizha. "Das ist ein guter Pilz, der eine Symbiose mit Pflanzenwurzeln eingeht", weiß Kristina Florschütz und berichtet von einem riesengroßen Wurzelgeflecht, durch das die Pflanzen viel mehr Nährstoffe aus dem Boden holen können. "Man geht davon aus, dass etwa 80 Prozent der Landpflanzen Mykorrizha besitzen", weiß die Wissenschaftlerin, dass solche "Lebensgemeinschaften zum gegenseitigen Vorteil" gang und gäbe sind und auch noch kommerziell vertrieben werden. "Wir beschäftigen uns nun mit deren Nachweis, wollen die Firmen doch wissen, ob das wirklich ihr verkaufter Pilz ist, der sich da an und in den Pflanzenwurzeln eingenistet hat", berichtet die wissenschaftliche Mitarbeiterin von einem Test, der gerade in der Entwicklung ist. Dabei kann ihr Arbeitsgruppen-Haustier Arxula dieses Mal allerdings keine Hilfe sein.