Salzlandkreis Salzlandkreis: Crashkurs in Traditionen
Aschersleben/MZ. - Herzlich gestaltete Valentinstagskarten liegen auf dem Tisch. Daneben steht der selbstgebackene Kuchen, ein Geschenk von Herzen. Der Adventskalender ist aufgestellt, die Dose mit den Weihnachtsplätzchen bis zum Rad gefüllt und die Weihnachtspyramide einen Monat nach ihrem letzten Einsatz wieder in Gang. Es ostert: Bunt sind schon die Eier und das goldgelb gebackene Osterbrot duftet verführerisch. Valentinstag, Weihnachten und Ostern sind für eine zehnte Klasse vom Ascherslebener Gymnasium Stephaneum auf einen Tag gefallen, den letzten Schultag vor den Winterferien. Kultur, Traditionen und Bräuche wollten die Jugendlichen ihren Mitschülern auf Zeit - Rogelio Stöckl und Danny Harder - in der Wassertormühle am vergangenen Freitag näherbringen.
Die beiden 17-Jährigen kommen aus Paraguay und nehmen derzeit an einem knapp fünfwöchigen Jugendaustausch - organisiert von ihrer Schule und dem Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland (VDA) - teil. Am 16. Januar gelandet in einer Gruppe von 23 Schülern - "Die jetzt in ganz Deutschland verteilt sind", so Rogelio - verschlug es ihn und seinen Freund nach Westdorf, wo sie bei Ines Völkner ein vorübergehendes Zuhause gefunden haben. Und sie war es, die die beiden im Stephaneum "anmeldete". Eine goldrichtige Entscheidung, denn die Jungs fühlen sich dort pudelwohl: "Die Schüler sind nett und haben uns von Anfang an mit einbezogen." Auch die Lehrer, erzählt Danny von einem Mathetest, den er und Rogelio mitschreiben "durften". "Sie machen im Unterricht eben ganz normal mit", sagt Klassenlehrerin Renate Elzemann.
Und schwer fällt es ihnen nicht, sprechen sie doch fließend deutsch (und Plattdeutsch - ihre Muttersprache). Lediglich manch Fachbegriff sorge für "Komplikationen". "Wir gehen auf eine deutsche Schule, lernen seit der ersten Klasse Deutsch", Unterrichtssprache sei aber Spanisch, erklärt Rogelio, der wie Danny deutsche Wurzeln hat. "Unsere Vorfahren kommen aus Deutschland"; und über Russland und Kanada nach Paraguay. Gemeinsamkeiten zwischen beiden Ländern gebe es durchaus, gerade hinsichtlich der Traditionen, stellten beide in der Wassertormühle erstaunt fest. Spannend auch alles Neue; die deutsche Kultur, die Politik, das Essen, überhaupt, den Alltag kennenzulernen. "Bei uns dauert die Schule von 7 bis 12 Uhr, hier bis 16 Uhr", sagt Rogelio. Und Danny spricht von der hier herrschenden "Ordnung - besonders im Straßenverkehr". Dann ist da das Wetter: "Ich habe vorher noch nie Schnee gesehen", schwärmt Rogelio, "und ich zuletzt als Dreijähriger", sagt Danny. Beide freuen sich deshalb auch schon auf die Brocken-Tour, die sie mit ihrer Gastmutter unter anderem geplant haben, bevor es für Danny am 18. Februar und für Rogelio vierzehn Tage später zurück nach Paraguay geht. Dorthin wollen ihre Mitschüler übrigens auch. Und das nicht erst seit sie "Chipa", einen landestypischen Snack, probiert haben. Wenn es nach ihnen geht, dürfe die Abschlussfahrt nach Südamerika gehen. Ein solcher Wunsch soll wohl schon geäußert worden sein. "Na ja, wenn Schule und Eltern einverstanden sind, fliegen wir", muss Elzemann schmunzeln.