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Raserei am Wohngebiet Raserei am Wohngebiet: Nach jüngstem Todesfall wird der Ton fordernder

Von Kerstin Beier 13.07.2019, 13:57
Seit die Straße zur großen Freude vieler saniert ist, hat der Verkehr stark zugenommen.
Seit die Straße zur großen Freude vieler saniert ist, hat der Verkehr stark zugenommen. Frank Gehrmann

Aschersleben/Westdorf - André Brantin und seine Frau Anna Junghanns wohnen im Wohngebiet Über der Eine, direkt an der Landesstraße zwischen Aschersleben und Westdorf. Vor knapp zwei Wochen haben sie unmittelbar miterlebt, wie ein 58-Jähriger bei einem Unfall vor ihrer Haustür sein Leben verlor. „Die Bilder wird man so schnell nicht los“, sagt der 39-Jährige, der als Ersthelfer zur Stelle war. Doch diesen Unfall brauchte es gar nicht, um zu wissen: Die Anwohner an dieser Straße leben gefährlich.

Schon Wochen vor dem Unfall, am 30. April, hat sich das Paar mit einem Schreiben an die Stadt und das Straßenverkehrsamt des Landkreises gewandt. Tenor der Beschwerde: Seit die Straße 2017/18 saniert wurde, ist sie „eine regelrechte Autobahn geworden,“ die von zahllosen Lkw genutzt werde.

Tempo 50 sei hier reines Wunschdenken, „vor der Kurve wird noch einmal richtig aufgedreht“, sagt Brantin, und seine Frau beklagt den zunehmenden Lärm. „Um 4 ist die Nacht für uns vorbei.“

Raserei am Wohngebiet „Über der Eine“: Oft gefährliche Überholmanöver

Familie Zain, die ebenfalls Über der Eine wohnt, beschreibt, wie gefährlich es ist, aus dem Wohngebiet auf die Landesstraße zu fahren. „Das ist wie Kamikaze“, bestätigt André Brantin, zumal hier oft gefährlich überholt wird. Die Anwohner fürchten um das Leben und die Gesundheit der hier wohnenden Kinder.

Eine Eingangsbestätigung hat die Familie erhalten - verbunden mit der Auskunft, dass Verkehrsüberwachungen und Anhörungen notwendig seien, um Maßnahmen einleiten zu können.

Raserei am Wohngebiet „Über der Eine“: Fußgängerüberweg in Westdorf wäre eine Lösung

Veränderungen fordern auch die Westdorfer. Die Situation an der Landesstraße war Thema der jüngsten Ortschaftsratssitzung. Die Räte sehen besonders die Schulkinder gefährdet, die an der Bushaltestelle ein- und aussteigen. Sie würden es am liebsten sehen, wenn die Straße mit einem Fußgängerüberweg versehen wird. Vorstöße seien bis jetzt jedoch ins Leere gelaufen.

Dass an der Straße tatsächlich schneller gefahren wird als erlaubt, bestätigt die Polizei, die in der Woche vor Pfingsten am Spittelsberg die Geschwindigkeit gemessen hat. Innerhalb von zwei Stunden gab es laut Sprecher Marco Kopitz 53 Verstöße, der Spitzenreiter war mit 106 Sachen unterwegs. Kopitz, der selbst in Westdorf wohnt und die Straße regelmäßig nutzt, kennt die Situation aus eigenem Erleben. „Ja, ein Problem gibt es“, sagt er.

Polizeisprecher und Anwohner Marco Kopitz: „Wir haben täglich drei, vier Anfragen von Leuten, die meinen, an ihrer Straße werde zu schnell gefahren.“

Regelmäßige Kontrollen würden aber an den Kapazitäten scheitern. „Wir haben täglich drei, vier Anfragen von Leuten, die meinen, an ihrer Straße werde zu schnell gefahren.“

Auch die Stadt Aschersleben kontrolliert die Geschwindigkeit an der Strecke, aus technischen Gründen aber nicht in Aschersleben, sondern in Westdorf. Dort sei der Anteil der Temposünder mit etwa fünf Prozent aber gering, sagt Ordnungsamtsleiter Christian Grossy. Das könne aber daran liegen, dass das Messfahrzeug bekannt ist. In Aschersleben fehle es an einer geeigneten Stelle, wo das Fahrzeug platziert werden und der Messbereich eingehalten werden kann.

Raserei am Wohngebiet „Über der Eine“: Gewisse Verkehrsdichte nötig für einen Überweg

Wenn es um Bauliches geht, ist der Landesstraßenbaubetrieb als Baulastträger zuständig. Ansonsten sind Polizei, Stadt und Landkreis mit im Boot. Laut Grossy tagt eine Verkehrskommission mit allen Partnern einmal im Monat. Diese werde sich auch des Problems der Landesstraße annehmen.

Laut Harald Müller vom Landesstraßenbaubetrieb werden in Westdorf Mitte August Messungen durchgeführt, die das Verkehrsaufkommen erfassen. Eine entsprechende Verkehrsdichte sei zwar Voraussetzung für einen Überweg, so Landkreissprecher Marko Jeschor, eine Entscheidung aber auch Abwägungssache. „Ein Fußgängerüberweg in Westdorf ist also generell nicht ausgeschlossen.“

Es sei bedauerlich, so Harald Müller, wenn bauliche Maßnahmen nötig werden, um die Straßenverkehrsordnung durchzusetzen. „Weil diese sehr teuer sein können und auch die Disziplinierten gängeln.“ Inseln beispielsweise seien aufwendig, weil die Straße verbreitert werden müsste und dafür meist Grunderwerb nötig sei.

Raserei am Wohngebiet „Über der Eine“: Tempo 70 vor Ortseingang mit Smileys

Vielleicht geht es ja auch ein paar Nummern kleiner, meint André Brantin. Aus seiner Sicht wären schon häufigere Kontrollen, eine Anzeigetafel mit Smileys und ein Überholverbot erste Schritte.

Laut Grossy werde bereits darüber nachgedacht, das Tempo vor dem Ortseingangsschild auf 70 zu begrenzen. Die Smileys, wie sie in Schackenthal auf Privatinitiative aufgestellt wurden, scheinen sich zu bewähren, so der Amtsleiter. „Aber da sind wir mit 3.000 Euro pro Stück dabei.“ (mz)

Anna Junghanns und Jürgen Zain sprechen stellvertretend für andere im Gebiet.
Anna Junghanns und Jürgen Zain sprechen stellvertretend für andere im Gebiet.
Frank Gehrmann