1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Aschersleben
  6. >
  7. Nordharzer Städtebundtheater: Nordharzer Städtebundtheater: Herrin der Kleider und Hüte

Nordharzer Städtebundtheater Nordharzer Städtebundtheater: Herrin der Kleider und Hüte

Von Sigrid Dillge 05.02.2002, 17:35
Ein Kleid aus dem Fundus.
Ein Kleid aus dem Fundus. Redaktion

Halberstadt - Karl Koch braucht Lederjacke, Jeanshose, T-Shirt und Cowboystiefel; Arnold Hofheinz soll mit Windjacke, Karohemd, Baumwollbundfaltenhose und schwarzen Schnürschuhen bekleidet werden. Koch und Hofheinz sind Schauspieler am Nordharzer Städtebundtheater und gehen bei Kleidersorgen nicht einfach ins Geschäft. Schließlich sollen sie Jacke, Hemd und Hose nicht im Privatleben, sondern auf der Bühne tragen, in diesem Fall beim Stück "Liebestoll", für das gegenwärtig kräftig geprobt wird.

Helfen kann in diesem Falle Renate Horatschek. Die Quedlinburgerin verwaltet in Halberstadt den Kostümfundus des Nordharzer Städtebundtheaters. Der Fundus gleicht einem Kleiderschrank mit Riesen-Ausmaßen. Über zwei Etagen hängen und liegen dicht an dicht Kleider, Röcke, Blusen, Mäntel, Hosen, Umhänge, phantasievolle Kostüme, stapeln sich Hüte, Mützen und Schuhe. "11 000 Kostüme sind hier, die Hüte, Schuhe und Accessoires wie Handschuhe oder Schmuck habe ich nicht gezählt", erklärt Frau Horatschek.

Der Blick in den Riesenkleiderschrank gleicht auch einer Zeitreise. Rokoko, Barock, Biedermeier sind ebenso vertreten wie die Neuzeit. Wer will, kann sich im Handumdrehen in eine Prinzessin, einen Landsknecht, einen Sultan oder einen Cowboy verwandeln. Und das wollen viele, nicht nur Schauspieler. "Das ganze Jahr über kommen Leute, die sich für die unterschiedlichsten Anlässe Kostüme ausleihen", erzählt die Fundus-Chefin.

Bei Firmenpräsentationen, Familienfeiern, Stadtfesten, zum Sachsen-Anhalt-Tag, bei Märchenaufführungen von Laienschauspielern in Schulen und Kindergärten ist der Theaterfundus begehrt. Renate Horatschek erinnert sich beispielsweise an junge Leute, die Uniformen der einstigen Nationalen Volksarmee ausliehen, weil sie ihren Freund zünftig zur Bundeswehr verabschieden wollten.

Den größten Publikumsandrang hat der Theaterfundus jedoch in der Faschingszeit. Dann ist an manchen Tagen kaum Platz zwischen den Reihen mit den Kostümen und "...dann schaffe ich das nicht allein wie sonst, sondern brauche noch Helfer." Vielen Indianern, Hofdamen, Nonnen oder Musketieren auf Zeit gibt Renate Horatschek beim Aussuchen der Sachen für die närrischen Stunden Ratschläge. "Vieles lässt sich mit einfachen Dingen noch verfeinern oder mit Kleidung, die zu Hause ist, kombinieren", sagt sie.

Seit fünf Jahren arbeitet die gelernte Schneiderin im Fundus und findet sich mit Leichtigkeit zwischen den Sachen zurecht. Alle Kostüme, die nicht für den aktuellen Spielplan benötigt werden, landen bei ihr, werden von ihr repariert und eingeräumt. Bei neuen Produktionen wenden sich die Kostümbildner an Frau Horatschek, um herauszufinden, ob der Fundus vielleicht Verwendbares hat.

Wie beispielsweise im Falle von Karl Koch und Arnold Hofheinz. Zumindest für die "Liebestoll"-Proben kann Renate Horatschek Kostüme liefern, schließlich muss der Schauspieler beim Einstudieren der Rolle auch lernen, wie er das eine oder andere Kleidungsstück auszieht, damit beim Spiel auf der Bühne kein Knopf oder Reißverschluss zum "Stolperstein" wird. Und eines weiß die 45-jährige Fundus-Chefin genau, irgendwann landen die "Liebestoll"-Kostüme - meist mit dem Namen des Akteurs und des Stückes an unauffälliger Stelle versehen - wieder bei ihr im Fundus. (mz)