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Nach Operationen in Kliniken Nach Operationen in Kliniken: Einmal-Instrumente werden in Aschersleben wiederaufbereitet

Von Uwe Kraus 09.12.2013, 09:20
Instrumente liegen im Operationssaal in einem Klinikum für eine Operation bereit.
Instrumente liegen im Operationssaal in einem Klinikum für eine Operation bereit. dpa Lizenz

Aschersleben/MZ. - Die Aschersleberin Kerstin Winter ist an ihrem Arbeitsplatz kaum zu erkennen. Denn wer im Reinraum 2 arbeitet, muss spezielle Vorkehrungen treffen. So trägt sie entsprechende Schutzkleidung. Schließlich wacht sie darüber, dass hochsensible Medizintechnik hygienisch und technisch sicher nach der „Großen Wäsche“ wieder zum Kunden zurückkehrt. Sie hat seit Februar ihren Arbeitsplatz in Europas größtem Aufbereitungs- und Herstellungszentrum für Medizinprodukte im Aschersleber Gewerbegebiet. Innovative Technologien sollen hier neue Maßstäbe für die Wiederaufbereitung von Medizinprodukten setzen. „Wir prüfen hier mit Lupe und Mikroskop und mit modernster Technik, die den Durchfluss durch Kanülen und die Elektrik von Kathetern testet oder wie hier am Torsionsgerät das Drehmoment misst“, erläutert Kerstin Winter, deren Arbeitsplatz hinter der Aufbereitung liegt.

Robert Schrödel, der Vorstandsvorsitzende der Pioneer Medical Devices AG, deren Tochter die Ascherslebener Ascamed GmbH ist, müht sich am Montag bei der Eröffnung der Anlage, Zweifel an der Sicherheit der Verfahren auszuräumen. Trotz aller Kostenersparnis betont er das Patientenwohl, das obenan stehe. Er spricht von schonender Behandlung der Produkte durch sensitive Verfahren wie berührungslose Messungen. Nach seinen Worten vermeiden ein integriertes Hygienemanagement und neue technische Verfahren die Anhaftung von Mikroorganismen. Und: Medizinprodukte werden in Aschersleben nicht nur aufbereitet, sondern durch ein neues Verfahren der Nanopartikelbeschichtung gar verbessert, hieß es am Montag.

"Tor zum europäischen Markt steht weit offen"

Dem Verfahren vorausgegangen sei ein fünfjähriges Forschungsprogramm. Dabei wurde eine Oberflächenbeschichtung entwickelt, die Desinfektion und Reinigung erleichtert und das Anhaften des berüchtigten Krankenhauskeims MRSA behindert. Die Wiederaufbereitung von Medizinprodukten ist innerhalb der EU umstritten. Auch bei internationalen Konzernen, die auf teure Wegwerftechnik setzen, hat sich Schrödel nach den Worten von Ingo Friedrich, ehemaliger Vizepräsident des Europa-Parlaments, unbeliebt gemacht.

Für Friedrich ist nicht entscheidend, wie oft die Katheter, die sowohl in der Kardiologie als auch in der Orthopädie genutzt werden, angewendet werden. Entscheidend sei, wie sicher sie sind - funktional-technisch wie hygienisch. „Mit der jüngsten Entscheidung des Europäischen Parlaments, Aufbereitungsverfahren für Medizinprodukte zu befürworten und dabei nicht mehr zwischen Einweg- und Mehrwegmedizinprodukten zu unterscheiden, steht für Pioneer das Tor zum europäischen Markt weit offen“, so Schrödel.

Der geschäftsführende Gesundheitsminister Daniel Bahr hebt bei seiner Aschersleben-Visite hervor, dass Deutschland einst „die Apotheke der Welt war“ und diese Position durch Fehlentscheidungen verloren hat. „Heute sind wir Weltmarktführer in der Medizintechnik. Dass wir diese Stellung nicht verlieren, dafür sorgen Firmen wie diese.“ Der Minister verweist darauf, dass der Spagat zwischen Patientensicherheit und der schnellen Einführung moderner Technologien geschafft werden müsse. Unternehmer Schrödel springt ihm bei: „Die Aufbereitung teurer und hochkomplexer Medizinprodukte hilft, innovative Medizin zu bezahlbaren Preisen möglichst vielen Menschen zur Verfügung zu stellen.“ Nach seiner Rechnung liegen die Einspareffekte bei bis zu 50 Prozent.

Investitionssumme liegt bei 6,3 Millionen Euro

Noch-Minister Bahr hebt hervor, dass es Aschersleben und der Region gut tue, dass sich eine zukunftsfähige Branche hier ansiedele. „Nicht in einer Metropole, sondern, ohne den lokalen Würdenträgern zu nahe zu treten, in einem kleinen Städtchen.“ Noch gut erinnerlich sei ihm der erste Spatenstich per Bagger für die Erweiterung der Ascherslebener Ascamed GmbH. Der fand damals ausdrücklich ohne Medien und Öffentlichkeit statt, während sich am Montag Politiker und Journalisten vom Resultat überzeugen durften.

Die Investitionssumme für das neue Werk in Aschersleben liegt bei 6,3 Millionen Euro. In Teilschritten sollen hier in den kommenden fünf Jahren rund 65 Arbeitsplätze entstehen und ein europaweites Umsatzvolumen von rund 20 Millionen Euro erreicht werden. Der Minister für Wirtschaft und Wissenschaft in Sachsen-Anhalt, Hartmut Möllring, freut sich, dass bisher 35 Arbeitsplätze für Mitarbeiter aus der Region geschaffen worden seien.

2,2 Millionen Euro Förderung seien dafür geflossen. Möllring verweist auf die enge Kooperation von Wissenschaftlern an den Universitäten Halle und Magdeburg und der innovativen Wirtschaft. Das Ascherslebener Projekt lobt er ausdrücklich. „Ich frage mich, warum teure Instrumente wie Katheter weggeschmissen werden. Wer einen Mercedes kauft, verschrottet ihn ja auch nicht nach der ersten Fahrt.“

Hoffen auf wirtschaftlichen Erfolg

Schrödel meint, „das Einsparpotenzial und das Einfach-Weglassen sind ausgereizt.“ Gute Produkte können bis zu achtmal genutzt werden. Sein Unternehmen habe eine eigene Logistik aufgebaut. Die Einwegprodukte werden in hygienisch verschlossenen Boxen im OP gesammelt und gehen gereinigt an den gleichen Kunden zurück. „Das gleicht der Chemischen Reinigung. Sie bekommen genau ihren Anzug wieder.“

Oberbürgermeister Andreas Michelmann freut es, dass 65 Arbeitsplätze entstehen sollen, die die Stadt „bitter nötig“ hätte. Investor Schrödel habe Innovatives ins Gewerbegebiet getragen, das nun bereits zum vierten Mal erweitert werde. „Ich hoffe, das Unternehmen wird wirtschaftlich erfolgreich. Schließlich würden wir dann auch per Gewerbesteuer profitieren.“

Minister Daniel Bahr im Gespräch mit Investor Robert Schrödel.
Minister Daniel Bahr im Gespräch mit Investor Robert Schrödel.
Frank Gehrmann Lizenz