Heiligabend Mehr als 20.000 Lichter sollen in der Stephanikirche in Aschersleben entzündet werden
Für jeden Ascherslebener soll vor dem Altar zu Heiligabend eine Kerze leuchten. Viele Helfer tragen zum Erfolg bei.

Aschersleben/MZ - Noch ist nicht Weihnachten, doch es geht bereits geschäftig zu in der Stephanikirche am Abend des 21. Dezembers. Vor dem Altar stehen zu einer mehrstufigen Rampe aufgebaut mehrere große Paletten. Drum herum wuseln zahlreiche Mitglieder der evangelischen Gemeinde und stellen darauf Teelichter auf. Am Ende des Abends sollen insgesamt 21.170 der kleinen Kerzen in dem Gotteshaus stehen. Auf der Rampe, auf dem Boden und um die steinernen Säulen herum verteilt. 21.170, das ist die letzte offiziell verzeichnete Einwohnerzahl der Stadt Aschersleben, erklärt Pfarrerin Anne Bremer. Und für jeden Bewohner der Eine-Stadt soll zu Heiligabend ein Licht erstrahlen.
„Wir haben in den letzten Monaten viel mitgemacht“, sagt Anne Bremer. Sowohl in Aschersleben, als auch andernorts. Eine immer noch andauernde Pandemie, die zunehmende Spaltung der Gesellschaft im Zusammenhang mit der Impfdebatte, die Tötung der 14-jährigen Josefine. Aber natürlich habe auch jeder Einzelne mit ganz eigenen Schicksalsschlägen zu kämpfen, so Bremer. Mit der Aktion in der Stephanikirche wolle man signalisieren, dass es heller werde; dass jeder leuchtet und dieses Licht auch an andere weitergeben kann. „Wir gehören zusammen“, betont Anne Bremer. „Jeder Mensch ist wichtig.“
Viele helfende Hände
Damit das Projekt gelingt, haben sich viele kleine und große Helfer versammelt. Sogar die dreijährige Luna hilft schon mit. Fröhlich klatscht sie in die Hände als Mama Nancy Zahn eine weitere Tüte mit Teelichtern öffnet. Auch Nancy Zahns Mann Thomas und ihre ältere Tochter Zoey sind dabei. Durch die Pandemie habe man wenig Kontakt zu seinen Mitmenschen haben können, sagt die Mutter. Die Aktion der Gemeinde sei daher „was fürs Herz“.

Auch Andreas König hilft bei der Vorbereitung. Schon bei der Planung des Projekts hat der studierte Physiker Anne Bremer unterstützt. Die sei nämlich mit ihrer Idee auf ihn zugekommen und habe gefragt, ob er ausrechnen könne, wie viel Platz denn für diese ganzen Teelichter notwendig wäre. „Aber dafür muss man nicht Physik studiert haben“, scherzt er.
Wir gehören zusammen
Anne Bremer, Pfarrerin in Aschersleben
Während Andreas König beim Aufstellen der Kerzen hilft, dekoriert seine Mutter Susanne gemeinsam mit einigen anderen Mitstreitern den Weihnachtsbaum. Zusammen hängen sie kleine Engel an die grünen Zweige. Alle handgemacht, betont Susanne König. Insgesamt acht Leute haben an dem Schmuck gebastelt, sagt sie. Und die Kinder der Christlichen Grundschule. So vielfältig wie ihre Schöpfer sind denn auch die Engelchen. Rot, golden, weiß. Einige aus gefalteten Buchseiten, andere aus Transparentpapier. Sogar aus passend zurechtgeschnittenen, fein drapierten Klopapierrollen bestehen ein paar der himmlischen Boten. Die habe sie gemeinsam mit ihren Mitschülern gebastelt, erzählt Viertklässlerin Tilda, während sie fleißig Teelichter aufstellt.

Alle Hürden genommen
Eine so rekordverdächtige Aktion wie das Entzünden von mehr als 20.000 Kerzen ist natürlich auch mit so manchen Hindernissen verbunden. Etwa sechs Wochen habe die Planung in Anspruch genommen, schätzt Anne Bremer. „Das erste große Problem war, so viele Kerzen ranzukriegen“, erinnert sie sich. Eine weitere Hürde: die entstehende Hitze. Zur Abdichtung nach unten wurde die Rampe deshalb mit mehreren Blechen ausgestattet, gesponsert durch die Ascherslebener Firma MDS Metalldach-Systeme. Um sicherzugehen, dass die Teelichter sich untereinander nicht zu stark erwärmen oder gar entzünden, führt Anne Bremer am 22. Dezember auf einem der Kerzenfelder einen Testlauf durch. Das Ergebnis: Es ist alles sicher. Obwohl das Wachs flüssig war, sei es darüber nur ein kleines bisschen warm geworden. Etwa zwei Zentimeter liegen jeweils zwischen den einzelnen Lichtern, so dass sich die Hitze nicht zwischen ihnen übertragen kann. „Auch bei Kerzen gilt: Abstand halten“, scherzt die Pfarrerin.
Einen Gottesdienst in der Stephanikirche wird es zu Heiligabend nicht geben. Zu begrenzt sei die Raumkapazität unter Beachtung der gebotenen Abstandsregeln, so Bremer. Ein zuvor aufgezeichneter Gottesdienst wird auf YouTube zu sehen sein. Nachdem 30 fleißige Helfer am 24. Dezember zwischen 14 und 15 Uhr die Teelichter entzündet haben, wird die Kirche aber bis 19 Uhr für Besucher geöffnet sein. Dann kann jeder dort bei Orgelmusik beten oder einfach zur Ruhe kommen an diesem besinnlichen Festtag - und natürlich „seine“ Kerze im Lichtermeer leuchten sehen.