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142 Jahre Löwen-Drogerie Löwen-Drogerie Oskar Michael: Ältester Laden in Aschersleben schließt

Von Claudia Andrae und Regina Falzmann 29.12.2016, 08:31
Nach 1913 zog die Löwen-Drogerie in die Hohe Straße 17 in Aschersleben.
Nach 1913 zog die Löwen-Drogerie in die Hohe Straße 17 in Aschersleben. Gehrmann

Aschersleben - Ende diesen Jahres wird das älteste noch bestehende Geschäft von Aschersleben schließen: Die Löwendrogerie Oskar Michael in der Hohen Straße 17. Die Firma besteht seit 142 Jahren und kann auf eine lange Tradition von fast 110 Jahren im Familienbesitz zurückblicken.

Die Löwendrogerie in Aschersleben wurde am 14. Dezember 1874 unter der Firma Diesing u. Körber am Markt 61, neben der alten Ratswaage, gegründet. Im Jahre 1878 schied Herr Diesing aus der Firma aus und Hugo Gebhardt trat als stiller Teilhaber in das Unternehmen ein.

Gleichzeitig wurde die Drogerie in die Breite Straße 41a verlegt. Die Löwendrogerie firmiert im Ascherslebener Adressbuch des Jahres 1890 als „Drogen- und Colonialwarenhandlung Otto Koerber“. Von etwa 1878 bis 1890 bestand auch eine Filiale vor dem Johannistor 11. Ferner wurde damals eine Selterswasserfabrik mit einem Pferdegespann betrieben.

Im Jahr 1904 starb Otto Körber. Nach dem Tode Hugo Gebhardts 1905 war zunächst dessen Witwe Anna Gebhardt Inhaberin. Frau Gebhardt verkaufte die Firma schließlich 1907 an den damals 25 Jahre alten Kaufmann Oskar Michael, der sie ab dem 1. März 1907 unter dem Namen „Löwendrogerie Oskar Michael“ weiterführte.

Umzug in die Hohe Straße 17

1908 erwarb Oskar Michael Haus und Grundstück Breite Straße 41a. Er verkaufte es aber 1913 wieder an den jüdischen Kaufmann Hermann Crohn. Wegen der Konkurrenz der Drogerie Gehse, die sich in unmittelbarer Nähe am Markt 11 befand, zog die Löwendrogerie in die Hohe Straße 17.

Die Verlegung erfolgte am 1. April 1913 nach dem Umbau der Geschäftsräume. Oskar Michael hielt die Hohe Straße als Geschäftsstraße für besonders wichtig. Hermann Crohn ließ das alte Haus in der Breiten Straße 41a abreißen. Nach den Plänen von Stadtbaurat Hans Heckner entstand hier 1913/14 der Kaufhaus-Neubau des Kaufhauses S. u. M. Crohn, heute Mäc Geiz.

Oskar Michael heiratete Anna Wiedig. Ihre beiden Kinder Käthe und Oskar Junior wurden 1908 und 1911 geboren. Im Jahre 1909 wurde Oskar Michael Mitglied des Männergesangsvereins „Arion“ zu Aschersleben, benannt nach dem griechischen Sänger und Dichter Arion von Lesbos.

Lange Jahre wirkte er im Vorstand des Vereins. Oskar Michael nahm als Artillerist am 1. Weltkrieg teil. Während dieser Zeit leitete seine Frau Anna die Drogerie. Nach dem Krieg war Oskar Michael im Vorstand der „Kameradschaft ehem. Artilleristen“, wo er für die Kriegswaisen sorgte. Im Jahr 1927 schlug er seine Wiederwahl als 2. Vorsitzender des „Arion“ wegen geschäftlicher Überlastung aus.

Der Drogist Oskar Michael Senior starb am 28. Februar 1928 im Alter von nur 46 Jahren. Nach seinem Tod entschloss sich Anna Michael, die von ihrem Mann aufgebaute Drogerie in Zusammenarbeit mit dem Drogisten Weirich als Geschäftsführer weiterzuführen. Von 1924 bis 1932 war außerdem noch die Tochter, Käthe Michael, ständig im Geschäft mit tätig.

Nach Abschluss des Stephaneums und der Drogisten-Ausbildung trat dann der Sohn des Gründers, Julius Hermann Oskar Michael, als Mitarbeiter in die Löwendrogerie ein und übernahm 1934 die Leitung des Betriebes. Am 1. August 1935 erwarb er die Firma käuflich von seiner Mutter.

Oskar Michael Junior verheiratete sich im Oktober 1935 mit Elisabeth Nahry. Seine Ehefrau arbeitete seit dieser Zeit auch in der Drogerie mit. Von 1940 bis 1945, während der Abwesenheit des Inhabers als Soldat, leitete Elisabeth Michael selbstständig erfolgreich das Geschäft und hatte damit wesentlichen Anteil am Fortbestand der Firma. 1936 wurde der Sohn von Oskar und Elisabeth Michael, Heinz-Günter, und 1947 ihre Tochter Regina geboren.

Vieles wurde noch selbst hergestellt

Nach dem Zweiten Weltkrieg betrieben die Eheleute Michael die gut gehende Drogerie gemeinsam, Elisabeth Michael als Kontoristin und Verkäuferin. In der damaligen Zeit gab es nicht so viele Fertigprodukte und Markenartikel. Vieles wurde noch selbst hergestellt. Die Inneneinrichtung der Drogerie war durch die vielen Schubladen und Standgefäße geprägt. Waren wie Tee, Farbpulver oder Vogelfutter mussten gewogen und abgefüllt werden.

Da Oskar Michael die Nachteile der Selbstständigkeit der damaligen Zeit erkannte, ließ er seine beiden Kinder studieren. Sohn Günter studierte Medizin und Tochter Regina Pädagogik. In der DDR-Zeit gehörte die Drogerie Michael zu den letzten privaten Drogerien Ascherslebens. Den politischen Verhältnissen entsprechend wurde am 1. Juli 1969 ein Kommissionshandelsvertrag mit der volkseigenen Handelsorganisation in Aschersleben abgeschlossen.

Farben, Tapeten und Silvesterartikel

Damals wurden Farben und Tapeten sowie Silvesterartikel in Drogerien verkauft. Oskar Michael war jeden Tag und zu jeder Uhrzeit für seine Kunden da. Er lieferte zum Beispiel die Waren auch nach Hause und fuhr die Tapeten bis in die umliegenden Dörfer aus. Service wurde groß geschrieben.

Der Drogist Oskar Michael Junior starb am 17. September 1979. Nach seinem Tod führte Elisabeth Michael die Löwendrogerie zunächst allein mit den angestellten Verkäuferinnen weiter. Ab etwa 1980 arbeitete dann der Schwiegersohn, Klaus Falzmann, zusammen mit Elisabeth Michael im Geschäft.

Viele Stammkunden hielten die Treue

Klaus Falzmann gab seine Tätigkeit als Lehrer an der Erweiterten Oberschule auf, schloss mit Erfolg die Drogisten-Ausbildung ab und übernahm die Leitung der Drogerie. Die Hohe Straße war noch zu DDR-Zeiten eine funktionierende und lebendige Geschäftsstraße, an der sich Geschäft an Geschäft reihte. Regina Falzmann kündigte 1988 ihre Stelle als Lehrerin und stieg als mithelfendes Familienmitglied ins Geschäft ein. Im Jahr 1990 starb Elisabeth Michael.

Nach der deutschen Wiedervereinigung war die Löwendrogerie wieder eine private Drogerie, die von Klaus und Regina Falzmann gemeinsam geführt wurde. Am 3. Januar 1996 verstarb plötzlich der Drogist Klaus Falzmann. Regina Falzmann entschied sich, die Drogerie allein weiterzuführen. Aus diesem Entschluss wurden 21 nicht einfache Jahre, die täglich den vollen Einsatz erforderten. Viele Stammkunden hielten ihr die Treue, da sie Waren im Sortiment hatte, welche in anderen Geschäften nicht geführt wurden wie Milwa-Waschpulver, Novum-Seife, Nuth-Fleckentferner, Charlotte-Meentzen-Kräuter-Vital-Kosmetik und Produkte für die Weinherstellung. Nach fast 110 Jahren endet eine Familientradition. Einen Nachfolger gibt es nicht.

(mz)