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Landrat feiert Jubiläum Landrat feiert Jubiläum: Gerstner blickt gelassen zum Endspurt

Von katharina thormann 06.01.2014, 19:24
Landrat Ulrich Gerstner feiert seinen 60. Geburtstag.
Landrat Ulrich Gerstner feiert seinen 60. Geburtstag. Frank Gehrmann Lizenz

bernburg/MZ - Entspannt lehnt sich Ulrich Gerstner auf einem der Ledersessel in seinem Büro zurück. Die Kurzhaarfrisur sitzt, die unscheinbare Brille auch. Mit der linken Hand zupft er die rote Krawatte über dem hellblauen Hemd zurecht. Von Aufregung beim Landrat des Salzlandkreises keine Spur. Trotz der bewegenden Woche, die ihm da noch bevorsteht. Schließlich wird man nur einmal 60. „Ich fühle mich aber gar nicht so alt“, gesteht der gebürtige Nienburger noch vor seinem Feiermarathon, der am Montag an seinem Geburtstag in der Sparkassenfiliale in Staßfurt begonnen hat.

Mit 200 geladenen Gästen - Kollegen, Kreistagsmitgliedern und Vertretern der Landesregierung. Alle sind da, um seine Hand zu schütteln und zu gratulieren. Und das ist nur der Anfang. Am Sonnabend ist die Kuchentafel dann für die Familie und Freunde gedeckt. Natürlich darf auch der Stachelbeer-Kekskuchen von Ehefrau Sigrid nicht fehlen

Spende für Glockenspiel

Nur vom Geschenke-Auspacken hält Gerstner wenig. Es soll lieber etwas Bleibendes sein, findet er. Genauso wie zu seinem 50., bei dem er sich statt Blumen eine Spende für das Nienburger Glockenspiel gewünscht hatte. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Glocken zur Waffenproduktion eingeschmolzen. Inzwischen erklingen tagsüber mit dem neuen Ersatz Lieder wie „An der Saale hellem Strande“. „Aber die Halbtöne funktionieren noch nicht, da fehlen noch ein paar Glocken - hat man mir erklärt.“ Und genau deshalb hat das Mitglied des Fördervereins auch diesmal wieder um eine Spende für das Glockenspiel gebeten, dem er sich nach seinem Eintritt in den Ruhestand in diesem Jahr noch intensiver widmen will.

Dass er mehr als 20 Jahre erst die Geschicke des Landkreises Bernburg, später des gesamten Salzlandkreises als Landrat lenken würde, hätte der studierte Pädagoge vor der Wende nie zu träumen gewagt. Zuletzt arbeitete er als Leiter einer Berufsschule in Bernburg. „Als die Mauer fiel, war ich 36. Damals war mir sofort klar, dass ich mitmachen und mitgestalten möchte“, sagt Gerstner.

Und das kommt nicht von ungefähr. Schließlich war schon Gerstners Urgroßvater politisch aktiv, gründete sogar die SPD-Ortsgruppe in Nienburg mit. Knapp 100 Jahre später - 1993 - schlug dann auch die Stunde von Ulrich Gerstner. Als die Frage nach einem Nachfolger für den Landratsposten im Raum stand und die SPD einen Kandidaten aufstellen wollte. „Alle Augen fielen auf mich“, erinnert sich Gerstner noch heute an diesen entscheidenden Moment.

Schwere Entscheidungen

Jetzt neigt sich die mittlerweile dritte und für ihn auf eigenen Wunsch letzte Amtsperiode dem Ende zu. Und mit ihr auch unzählige Herausforderungen. Die emotionalste? „Nachterstedt. Kurz nach dem Erdrutsch musste ich ganz allein entscheiden, ob die Anwohner der betroffenen Siedlung noch einmal in die Häuser zurückkehren können oder nicht“, blickt Gerstner zurück. Und es war nur eine Krise von vielen, die er in den vergangenen Jahren zu managen hatte. Gefragt war er auch beim Busunglück auf der A 14, dem Hagelsturm rings um Peißen und bei gleich zwei Fluten. „Aber wenn ich eine Aufgabe auf dem Tisch habe, packe ich sie auch an. Dann bin ich sehr ehrgeizig und kann ganz gut das Wesentliche vom Unwesentlichen trennen“, ist Gerstner überzeugt.

Ulrich Gerstner wurde 1954 in Nienburg (Saale) geboren und absolvierte eine Berufsausbildung mit Abitur im Sodawerk Staßfurt.

Dem schlossen sich ein Studium der Betriebswirtschaft an der Technischen Hochschule Magdeburg und ein Studium der Berufspädagogik an der Technischen Universität Dresden an.

Später arbeitete er als Berufsschullehrer im Zementwerk Bernburg und wurde 1990 Leiter der gewerblich-technischen Berufsschule Bernburg.

Von 1994 bis 2007 war er Landrat des Landkreises Bernburg und ist seit 2007 Landrat des Salzlandkreises.

Nach den nicht selten 60-stündigen Arbeitswochen holt er sich zu Hause die Kraft dafür. Bei Frau, Sohn, Tochter, den vier Enkeln. „Ich bin ein Familienmensch“, sagt er selbst von sich. Vor allem an den Sonntagen hält er seinen Terminkalender frei. Nach der obligatorischen Tasse schwarzen Tee am Nachmittag, tankt er in der hauseigenen Sauna im Keller neue Motivation für die anstehenden Herausforderungen im Beruf.

Die werden auch in den nächsten Monaten vor seinem Ruhestand nicht weniger. Bis zum letzten Arbeitstag stehen Termine im Kalender. Einiges möchte Gerstner noch zu Ende bringen, wie etwa den Vertrag mit dem Land für die Rettung der Kammerphilharmonie oder die Umsetzung des Kinderförderungsgesetzes. An manch anderes kann er bereits ein Häkchen machen. An die Zusammenführung der Verkehrsbetriebe zum Beispiel oder die zentrale Abfallentsorgung, die in diesem Jahr mit sinkenden Gebühren das erste Mal Früchte trägt.

Reise nach New York

Und was kommt nach der letzten Amtshandlung? Das weiß Landrat Gerstner schon ganz genau. Er steigt mit seiner Gattin in den Flieger und jettet über den Großen Teich nach New York. Schließlich ist reisen eine große Leidenschaft des Paares, das nach der Wende alle Kontinente der Erde besucht hat. Im nächsten Jahr könnte es dann ein Wiedersehen mit Afrika geben. Aber selbst, wenn er zumindest politisch etwas kürzer treten will, „wird mir mit Sicherheit nicht langweilig“.

Dafür sorgen nicht nur die Enkel, sondern auch der Sport. Denn der Fan von Ballsportarten will sich künftig mehr Zeit zum Golfspielen nehmen. „Beim Fußballspielen machen die Gelenke nicht mehr mit“, bedauert der Ex-Kicker, der nicht lange wegen der Antwort auf die Frage grübeln muss, was er anders gemacht hätte in seinem Leben, könnte er die Zeit zurückdrehen: „Ich hätte alle strategisch wichtigen Entscheidungen ganz genauso getroffen.“