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Kurzfilmfestival in Aschersleben Kurzfilmfestival in Aschersleben: Kurze Filme, lange Nächte

Von marianne bothe 20.07.2014, 17:39
Zum Oben-ohne-Kino-Tag gehörte auch ein Zeichenworkshop Anatomie und ein Haarsalon.
Zum Oben-ohne-Kino-Tag gehörte auch ein Zeichenworkshop Anatomie und ein Haarsalon. gehrmANN Lizenz

aschersleben/MZ - Im Moment stehen sie still, die Bilder, die gewöhnlich über die Leinwand flimmern, seit sie das Laufen gelernt hatten. Es ist viel zu heiß, es ist noch viel zu hell an diesem Samstagnachmittag. Erst nach 21 Uhr gibt es wieder das Oben-ohne-Kino - alle internationalen Kurzfilme hintereinander aus dem ersten Jahr Kinokantine - auf dem Innenhof, mit Popcorn und Gefühlen und allem, was zum Film dazugehört.

Erfahrungen, Kontakte und Ideen

Manuel Heischel, der mit Sarah Lena Dorn vor zwei Jahren nach Aschersleben kam, hier eine kleine Familie gründete, ist visueller Künstler und Architekt, seine Frau von Haus aus Malerin. Aus ihrer bisherigen Schaffens- und Studentenzeit in Indonesien, Amerika, in Wien, Nürnberg oder Passau brachten sie Erfahrungen, Ideen und Kontakte mit in die kleine Stadt, die sich hier von unschätzbarem Wert erweisen.

Einjähriges Bestehen wird gefeiert

An diesem Wochenende lassen sie sich ganz offensichtlich werten, weil Franca aus Italien, Anna aus Österreich, Eirini aus Griechenland oder Dan Vo und Adrianna aus England mit Aenne und Manuela, mit Georg und den Gastgebern das Kurzfilmfestival anlässlich des einjährigen Bestehens der Kinokantine im Grauen Hof umrahmen. Sie sitzen entspannt im Schatten über Blättern von Papier und zeichnen menschliche Körper. Franca Bortot und Anna Vidyaykina, die anatomisches Zeichnen und Malerei und Grafik unter anderem in Florenz, Perugia und Wien studiert hatten, dort mit Lena Bekanntschaft schlossen, geben Anleitung und Hinweise: Hier noch eine Linie. Die Bilder, die entstehen, sollen noch präsentiert werden, manche in kurzer Aufeinanderfolge animiert zum bewegten Bild. Daumenkino der besonderen Art.

Und in einem provisorisch eingerichteten Haarsalon kreiert Manuela Brunner aus Passau Devil’s Cut, Frisuren oben ohne beziehungsweise oben mit. Schnitt und Styling für jeden Besucher, der Lust und Zeit dafür aufbringt. Georg hatte bereits Platz genommen und sich in die professionellen Hände der Stylistin begeben. Sein Haarschopf jedenfalls bleibt üppig und erntet viel Lob von den Anwesenden.

Die Kinokantine ist das Projekt der Noch-neu-Ascherslebener Manuel Heischel und Sarah Lena Dorn, das sie gemeinsam mit dem Akku aus der Taufe gehoben haben und seit einem Jahr mit viel Liebe und immer neuen Anregungen großziehen. Aller vierzehn Tage gibt es seitdem im Grauen Hof einen besonderen Kinofilm, Independent, Arthouse, Festivalcharakter. Vorab einen Kurzfilm und das Gourmetangebot aus der Küche.

Ideen gehen nicht aus

Die vierzig Plätze im Studiokino waren alles in allem schon gut nachgefragt. Nach einem Jahr lässt sich einschätzen, wie das Angebot funktioniert, wie es ausgebaut werden kann. Manuel Heischel gehen die Ideen nicht aus. Das Filmezeigen - wie in der Adventszeit mit Märchen oder im Frühjahr beim Filmwochenende mit der Deutsch-Finnischen Gesellschaft - ist die Basis. Die Filmkunst, der Austausch darüber und der Kontakt zum Künstler sollen in den Blickpunkt rücken. Demnächst mit einem befreundeten Münchener Regisseur, der seinen jüngst erfolgreichen Film in Aschersleben vorstellen wird.

Oben ohne und hüllenlos im Sommer - das kam den Organisatoren in den Sinn als weitere Spielart. Laue Nächte, Leinwand nach draußen und einen leistungsstarken Beamer (die Stadt stellte einen solchen für das Wochenende zur Verfügung) - dann laufen die Filme vor Publikum. Am Freitag war es die Vater-Sohn-Geschichte „Ich fühl mich Disco“ von Axel Ranisch, die mit viel Humor, Fantasie und Charme daherkam. Am Samstag die schon erwähnte lange Liste der kurzen Filme, und am Sonntag knisterte es bei der Vampirstory „Only lovers left alive“ (Jim Jarmusch) zwischen Adam und Eve und vielleicht auch im Publikum.

Achtung! Film läuft! Auf einem herkömmlichen Plattenteller 24 gelbe Enten, die nacheinander und sekundentaktgenau von einem Lichtstrahl erhellt werden, wenn man seinen Kopf in den Schaukasten steckt und ihn mittels schwarzem Tuch abdunkelt. So taucht die kleine Ente ab und wieder auf. „Kleinigkeiten“ nannte Aenne Bittner, Bildhauerin aus Nürnberg, ihre Installation, die sie auf Einladung von Manuel und Sarah mit nach Aschersleben gebracht hatte. „Mich fasziniert die Entstehungsgeschichte bewegter Bilder“, beschreibt sie ihre Kunst. Wie eine Situation mit einfachen Mitteln dynamisch wird. Die Ente, die den Kopf ins Wasser steckt oder eine Figur, die trinkt und wieder ausspuckt, zwei, die sich aufeinander- zubewegen. „Ich hab mir die Figuren ausgedacht, sie gezeichnet und umgesetzt. Mein Bruder musste helfen bei der ausgeklügelten technischen Umsetzung am Plattenspieler.“

Archiv von Filmkunst aus über 100 Jahren

Und cut! Anhalten! Dann, wenn alle Protagonisten das Set verlassen haben, bleibt der Raum, in dem sich die Geschichten abspielen. Jene kurze Sequenz eines Filmes - ein charakteristischer Ort ohne Menschen - fängt der Franke Georg Stanka in einem Bild ein. „Filmräume“ nannte er sein Projekt, für das er schon 1000 Filme angeschaut und ausgewertet hat und mit mehr als 1000 Fotos die besondere Charakteristik einfror. So entsteht ein Archiv von Filmkunst aus über 100 Jahren.

Da ist exemplarisch die rotbraune, gemauerte Fassade mit dem geöffneten Fenster. Auf den ersten Blick verknüpft das Bild den Film, die Geschichte, die Kunst. Alfred Hitchcocks „Das Fenster zum Hof“ von 1954 verkörpert in seinem klassischen Sujet aus Langeweile, Spannung und Obsession, aus Zusammenleben und Nachbarschaft auf kleinem Raum, wie der Zuschauer mit Aufmerksamkeit alle wichtigen Informationen erschauen und seine möglichen Leerstellen füllen kann. Und hat Spaß dabei.