Kostümverleih Kostümverleih: Besuch im Gewänder-Wunderland
Aschersleben/MZ. - Auf Regalen und am Boden stapeln sich Kisten, randvoll mit Perücken, Brillen, Ketten, Hüten, Bärten und Nasen. Von den Wänden blinzeln oder starren Masken, fedrige Boas scheinen nur darauf zu warten, das Charlestonkleid aufzupeppen. Zu jedem Kostüm findet sich das passende Zubehör. Schlafwandlerisch sicher bewegt sie sich zwischen den Kleiderständern, greift nach diesem oder jenem und weiß genau, welches Teil zu welchem Gewand gehört. Kein Wunder, schließlich stammt jedes Stück von eigener Hand. Die Nähmaschine surrt manchmal bis tief in die Nacht. Über die Jahre ist so mit Fleiß, Fantasie und manch ausrangiertem Stöffchen ein beachtlicher Fundus entstanden.
Das macht die Wahl schwierig, und so können sich auch die Kunden, die sich gerade an den Kleiderständern zu schaffen machen, nur schwer entscheiden. Die kleine Tochter bekommt eine Pippi-Langstrumpf-Perücke aufs Haupt gedrückt und hüpft begeistert vor dem Spiegel herum. "Aber auch viele Erwachsene werden hier bei mir wieder zu Kindern", freut sich die gelernte Herrenmaßschneiderin, die 1995 aus ihrer Arbeitslosigkeit eine Tugend und aus ihrem Hobby einen bescheidenen Nebenerwerb machte. Die anfangs etwa 20 Kostüme, die sie in ihrer kleinen Neubauwohnung nähte, fanden in einem Kleiderschrank im Keller Platz. Neue Verkleidungen kamen hinzu, und nachdem auch die Zimmer aus den Nähten platzten, mietete sie für die Faschingssaison Räume in der Innenstadt an.
Nach der Saison alles wieder zu verstauen und sicher zu verwahren - eine kraftraubende Plackerei. Deshalb freut sie sich, dass sie jetzt Vor dem Johannistor eine dauerhafte und ausreichend große Bleibe fand. Dass sie dort auch wohnt, verkleinert den Aufwand erheblich. Trotzdem beschert der Karneval eine Menge Arbeit. Denn oft müssen die Kostüme, die am Sonnabendvormittag zurückgebracht werden, am Abend wieder sauber und gebügelt auf den Bügeln hängen. Schließlich möchte keine Königin der Nacht mit Fleck im Kleid übers Parkett schweben. Und so laufen in Hochdruck-Phasen ständig zwei Waschmaschinen bei Kathrin Tempel, die Holzbalken in ihrer Wohnung sind mit Haken versehen, an denen die Kleider möglichst schnell trocknen müssen. Ihre Mutter ist in der Saison die größte Stütze - sie führt die Bücher, bügelt und springt ein, wo sie kann. Leben kann die 37-Jährige, die zurzeit eine ABM-Stelle hat, vom Kostümverleih zwar nicht. Spaß macht ihr die Sache trotzdem.