Kleines Riesenbaby im Garten
Aschersleben/MZ. - Und wer liegt da in der Sonne? Ein Stachel-Leguan. Wer räkelt sich außerdem im "Tropenhaus"? "Netzy", der fünf Meter lange Netzpython, liegt faul in seinem Revier, die Papua-Weichschildkröte schwimmt durch das Wasserbecken elegant wie ein Vogel in der Luft und Knesebeck und Lady, die beiden Leguane aus Peru, sitzen unbeweglich auf dem Querbalken kurz unter der Decke und beobachten das Geschehen. "Wenn Fremde hier sind, bewegen sie sich nicht. Ansonsten klettern die beiden schon mal die Leiter ins Becken zum Baden und Fressen herunter", erklärt Peter Silhengst. Der Diplombiologe kennt das Verhalten seiner Tiere ganz genau, schließlich beobachtet er Schildkröten, Amphibien, Schlangen, Echsen und auch Ratten von Kindesbeinen an.
"Mit drei oder vier Jahren habe ich meine Eltern mit immer neuen Tieren an den Rand der Verzweiflung gebracht", gibt er zu und muss bei der Erinnerung lächeln. Er brachte Schnecken, Molche und Spinnen mit nach Hause. "Ich hatte viele Freiheiten und meine Eltern viel Verständnis für dieses Hobby. Nur als meine Mutter einmal eine Fledermaus in meiner Spardose fand, gab es Stunk", erzählt er.
Mit acht Jahren baute er sich ein kleines Gewächshaus für seine Kakteen. "Es brach zusammen, so beschloss ich, später einmal Maurer zu werden." Mit zehn Jahren hat er einen Fotoapparat und die dazugehörige Dunkelkammer bekommen. Wofür? Motive wie Spinnen, Molche und alles, was irgendwie kroch, mussten festgehalten werden. "Mit 14 Jahren hatte ich bereits einen kleinen Zoo, einen Teich für Krebse und ein richtiges Gewächshaus, das über drei Etagen ging. Oben bekamen die Schlangen ihren Platz, in der Mitte die Landschildkröten und unten Ratten, Mäuse und Wühlmäuse", sagt er.
Den Traum, Maurer zu werden, hat er sich verwirklicht. Schließlich wollte er große Gewächshäuser und Terrarien bauen. Doch sein Lehrmeister fand es wichtiger, dass er sein Abitur nachholt und Biologie studiert. Was er auch tat.
"Im fünften Studienjahr wollte ich unbedingt Lehrer werden - und andere für Biologie begeistern. Doch das klappte nicht. Also begann ich in Potsdam an einer Außenstelle des heutigen Gaterslebener Institutes für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung zu arbeiten." Nach der Schließung 1980 ging er direkt nach Gatersleben und erfüllte sich einen weiteren Traum: "Ich durfte in der zentralen Ausbildungsstätte für Biologielaboranten die praktische Ausbildung übernehmen. Das habe ich bis zur Wende gemacht", erzählt er.
Dann wurde er arbeitslos. Heilpraktikerstudium, Heilpflanzenstudium, Arbeit bei einer Spedition, beim Bauernverband und bei der LMBV kamen danach. Bei Letzterer erarbeitete er die Pläne mit - für die Uferbepflanzung des Concordiasees nach dem Endwasserstand. Heute ist er Rentner und er fragt sich die ganze Zeit, wie er die Pflege seiner Tiere früher geschafft hat. Denn sein ganzes Leben habe sich ständig um seine ungewöhnlichen Haustiere gedreht. "Jeden Tag brauche ich mindestens vier Stunden, bis ich alle umsorgt habe", verrät der 63-Jährige. "Und ohne die Hilfe meiner Frau wäre das undenkbar." Da hat er zu tun in den Gewächshäusern, in denen seine vielen Lieblinge leben, ebenso am Teich, wo auch einige Schildkröten zu Hause sind, und auf der Freifläche, wo Charlie mit seiner "Familie" lebt.
Charlie ist die sieben Jahre alte Spornschildkröte und ein Riesenexemplar. "Sie kann bis zu 250 Jahre alt werden und ist im Augenblick eigentlich noch ein Baby", sagt er. Charlie ist jetzt schon 60 Zentimeter lang und wiegt 50 Kilo. Wenn sie ausgewachsen ist, kann sie bis 1,20 Meter lang sein und gut 200 Kilo wiegen. Vor sieben Jahren hat er sich auch diesen Traum erfüllt und zehn kleine Riesenschildkröten gekauft. Jetzt leben noch drei davon im Garten.
Zu den erfüllten Träumen gehören manche seltenen Exoten, zum Beispiel Kröten, "von denen manche so hässlich sind, dass sie schon wieder schön sind". Ein Leben ohne diese Tiere sei für ihn unvorstellbar, sagt er und muss gleich nachschauen, ob es denn vielleicht bei den kleinen Schildkröten schon wieder Nachwuchs gibt.