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Kirschen Kirschen: Saftig Rotes aus der Großplantage

Von Robert Schütze 05.07.2002, 16:06

Aschersleben/MZ. - Unzählige Obstbäume säumen das hügelige Landstück an der B6 zwischen Aschersleben und Mehringen. Nur ein Feldweg windet sich rings um die sorgfältig angepflanzten Gewächsreihen und durchschneidet sie. Hinein in einen 14 Hektar großen Plantagenwald, in dem Pflaumen in der Sommersonne reifen und zu späterer Jahreszeit auch Äpfel oder Birnen baumeln werden, lockte er am Freitag alle Obstfreunde auf der Suche nach süßen Früchten. Doch nicht Pflaumen sind es, die die Gaumen der Besucher derzeit verwöhnen sollen, sondern von Kirschen kündete ein Schild an der Bundesstraße.

Kirschen? Von denen ist - hier zumindest - noch nicht die geringste Spur. Nach einer letzten Wegbiegung allerdings mündet der Pfad endlich in einen schmalen Rasenplatz, den eine unscheinbare Markise ziert. Und da haben wir sie dann: Saftig rote Süßkirschen hängen regungslos an den Wipfeln, während sich eine kleine Menschenschlange vor der Leinenüberdachung der Verkaufsstätte reiht. In geschäftiger Unruhe ist Andrea Jorde, die gemeinsam mit ihrem Ehemann Axel seit zehn Jahren diesen Obstbau betreibt, gerade dabei, eine letzte Handvoll Kirschen aus einer Kiste zusammenzukratzen und für die wartenden Kunden abzupacken. "Heute ist es wieder furchtbar", stöhnt sie. "Meine paar Pflücker kommen bei solchem Andrang kaum noch hinterher mit der Arbeit". Das kalte und feuchte Wetter dieses Jahr habe die Ernte ohnehin fast um die Hälfte verringert.

Da sei es ein harter Job, jeden Kunden zu versorgen. "In den kommenden Tagen werden wir aber keine Probleme bekommen. Heute habe ich schließlich ausnahmsweise nur die Hälfte meiner Arbeitskräfte zur Verfügung", erklärt die Plantageninhaberin. Insgesamt zehn Männer und Frauen, die teils in der Region beheimatet sind, teils aber auch aus Polen stammen, klettern Tag für Tag auf ihre Holzleitern, um in den schattigen Baumreihen die "Objekte der Begierde" zu ernten.

Zusammengepfercht in kleinen Kisten schleppen sie seit eineinhalb Wochen die sechs verschiedenen Kirschsorten des Obstbaus durch das Astgewirr zur Verkaufsstelle, wo sie von Andrea Jorde und der kaum abnehmenden Kundenschlange bereits erwartet werden. Ein mühsames Verfahren, mit dem die Obstfans an diesem Tage gerade aufs Nötigste versorgt werden können. "Ich weiß, dass es viel einfacher wäre, wenn wir unsere Kunden die Kirschen selbst pflücken ließen", muss die Obsthändlerin eingestehen, während es wie-

der einmal die letzten Früchte sind, die sie sorgfältig auf der großen Waage an ihrem Verkaufsstand platziert. "Dazu sind die Kirschbäume aber zu empfindlich. Viel zu schnell ist da ein Ast abgebrochen", erklärt sie. Erst bei den Äpfeln und Birnen, die im Herbst der Verkaufsschlager seien, könnte der Besucher selbst Hand anlegen. Ob nun Eigeninitiative oder kurze Wartezeiten - den geduldsgeprobten Genießern hier scheint es ohnehin gleich zu sein. Sie verstehen sich einfach blendend mit "Obstfrau" Jorde und vertreiben sich die Zeit durch den einen oder anderen kurzen Plausch. "Viele Leute zählen schon zu meiner Stammkundschaft", freut sich die zwar gestresste, aber immer freundliche Verkäuferin. "Manchmal kommen auch Kirschfreunde zu mir, die gleich ihr ganzes Dorf mit Obst versorgen. Da musste ich schon mal 30 Kilogramm für einen einzigen Käufer in die Waagschale werfen."

Mit einer solchen Forderung wäre sie an einem Tag wie Freitag wohl hoffnungslos überfordert gewesen, aber glücklicherweise zählte ihre Kundschaft da nicht zu den seltenen Großabnehmern. Familie Jungbär aus Aschersleben langt jährlich nur bei den Äpfeln so kräftig zu: "Da pflücken wir uns schon 20 Kilo zusammen", erklärt Herr Jungbär. Bei den Kirschen würden sie sich aber mit einer zünftigen Portion zum "Rohverzehr" begnügen. "Ein Kuchen wird dabei doch herausspringen", hofft seine Frau immerhin mit Seitenblick auf ihren Mann. "Ach was, wir machen Pflaumenmus draus", scherzt er und schlendert mit seiner Frau und einem Korb der Früchtchen davon.