Ballhaus Aschersleben Jörg Widder ist Kopf und Herz der Impfstation
„Ich bin sehr direkt, Wischiwaschi liegt mir nicht.“ Seit 1999 betreibt er einen Veranstaltungsservice, der wegen des Lockdowns ruht.
Aschersleben - Telefon oder Funkgerät kleben Jörg Widder am Ohr wie festgewachsen. Kaum hat er aufgelegt, klingelt es schon wieder. Die Nummer der Impfstation im Ballhaus ist begehrt wie kaum eine andere in diesen Tagen. Dass er und sein Team im Moment keine Termine vergeben können, wurmt ihn.
Das Manko des fehlenden Impfstoffs empfindet er als „nicht selbst verschuldete Vollbremsung von 100 auf 0.“ Es passt nicht zusammen, sagt er, wenn die Leute im Radio hören, es geht voran mit dem Impfen. Und sie dann trotzdem keine Termine bekommen.
Jörg Widder ist Kopf und Herz der Impfstation im Ballhaus, die am 27. März ihre Arbeit aufgenommen hat. Eine Impfstation ist eigentlich Neuland für den umtriebigen Riesen. Seit 1999 betreibt er einen Veranstaltungsservice in Bernburg, kümmert sich um Tourbegleitungen und die Organisation von großen Events; vom Konzert bis zur sportlichen Großveranstaltung - darunter das Megawoodstock in Aschersleben.
Und auch wenn es komisch klingt: Grundlegend anders gestaltet sich die Logistik einer Impfstation dann doch nicht - „ohne Bühne und Gastro natürlich.“ Deshalb hat er keinen Moment gezögert, als der Auftrag an ihn herangetragen wurde. Innerhalb weniger Tage standen die Konzepte, das Material war bestellt, die Partner im Boot.
„Organisation kann ich, ins Medizinische musste ich mich reinfuchsen. Aber jetzt bin ich im dritten Semester“, scherzt der 53-Jährige. Und lobt seine Mitstreiter: Das Personal sei motiviert, das Team passt, die Ärzte würden gerne ins Ballhaus kommen, um hier zu impfen.
„Organisation kann ich, ins Medizinische musste ich mich reinfuchsen. Aber jetzt bin ich im dritten Semester.“
Jörg Widder, Leiter der Impfstation im Ballhaus
Seine geradlinige, zuweilen grummelige Art kommt an bei seinen Mitarbeitern. Man könnte es auch ehrlich nennen. Er bekennt, zuweilen stur zu sein. Man könnte es auch ausdauernd nennen. „Ich bin sehr direkt, Wischiwaschi liegt mir nicht. Und das fällt mir manchmal auf die Füße“, sagt er. Susanne Piehl, die ihn seit zehn Jahren als ihren Chef kennt, schätzt aber gerade diese Eigenschaft: „Man weiß immer, woran man bei ihm ist. Das macht das Arbeiten einfach.“
Wie flexibel er umsteuern kann, musste der gelernte Instandhaltungsmechaniker schon oft im Leben beweisen. Sein Grundwehrdienst als Grenzsoldat fiel genau in die Zeit der Wende, danach hat er vieles gemacht: arbeitete als Fahrer, als Türsteher, als stellvertretender Jugendklubleiter, betrieb gemeinsam mit drei Partnern die Großdiskothek Bernabeum in Bernburg.
Die Unterhaltungsbranche hat es ihm einfach angetan, sodass er sich schließlich mit seinem Veranstaltungsservice selbstständig machte. Es lief gut für ihn - bis zum Februar vergangenen Jahres. Da schredderte Corona ihm von heute auf morgen den gesamten Jahresplan.
Aber nichts zu tun, ist für Jörg Widder keine Option. „Ich war genau drei Tage zu Hause, dann hatte ich einen Job als Einlasskontrolle in einem Drogeriemarkt“, berichtet er. Anschließend organisierte er gemeinsam mit Mike Schubert und Familie Uhde das Autokino im Gewerbegebiet. Jetzt also die Impfstation.
„Die Tage sind stressig, aber das ist positiver Stress“, sagt er - wohl wissend, dass die Arbeit und auch sein umtriebiges Wesen seiner Frau einiges abverlangt. „Ich habe eine sehr liebe Frau, sie ist mein Rückhalt“, sagt er. Und hat schon wieder das Telefon am Ohr. (mz)