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Jahrestag der Klusstiftung Jahrestag der Klusstiftung: Ein tolles Fest voller Glück

Von Ingeburg Pocklitz 26.05.2014, 18:01
Zum Thema „Glück“ gab es eine Diskussion, bei der auch Uwe Morich (l.) von der Klusstiftung dabei war.
Zum Thema „Glück“ gab es eine Diskussion, bei der auch Uwe Morich (l.) von der Klusstiftung dabei war. I. Pocklitz Lizenz

Schneidlingen/MZ - Am Wochenende feierten zwei große Einrichtungen gemeinsam ein tolles Fest. Die Klusstiftung zu Schneidlingen und Groß Börnecke beging ihren 750. Jahrestag, und der evangelische Kirchenkreis Egeln lud zum Kreiskirchentag ein, beides fand auf dem Gelände der Stiftung in Schneidlingen statt und wurde zum vollen Erfolg.

Die Veranstaltung begann am Freitagabend mit einer Andacht und zwei gut besuchten Konzerten, wobei besonders Judy Baileys Auftritt zum Höhepunkt geriet, bei dem der Funke übersprang.

Am Sonnabendvormittag bildet der Eröffnungsgottesdienst den Auftakt für ein buntes Treiben bis zur Abschlussandacht am späten Nachmittag. Freundliche Mitarbeiter laden am Fuße des Geländes zu einem Begrüßungs-Kaffee ein und geben Hinweise auf die Programm-Höhepunkte weiter oben an der Katharinenschule. Auf große Pappen gemalte bunte Bilder und sonnengelbe Blumen, Papierschlangen, Luftballons und Stimmengewirr bei Geschicklichkeits- und Ballspielen weisen den Besuchern bei herrlichem Wetter den Weg.

Die Klusstiftung ist erwachsen aus dem Schneidlinger – Börnecker Kaland, einer Bruderschaft mit den Rechten einer Gilde. Als Gründungsjahr gilt das Jahr 1264.

Der Name „Kaland“ leitet sich ab von Kalender, und bezieht sich auf das regelmäßige Zusammenkommen der Mitglieder. Erst 1589 kam der Begriff Klus oder Clause auf. Der Landpriester bekam dort seine Mahlzeiten und bei Krankheit Pflege. Später wurden auch Spenden an Arme verteilt.

1875 wurde ein Alterssitz für 12 Personen gebaut. 1962 lebten nur noch 3 alte Menschen in dem Altenheim, und so zogen im Oktober 1962 drei Diakonissen aus Wolmirstedt mit sieben geistig behinderten Mädchen in das Haus ein. Seither waren Namen wie „Kinderheim“ oder „Ev. Kinderpflegeheim“ gebräuchlich.

1989 wurde mit Hilfe des Diakonischen Werkes in Magdeburg die Wiederbelebung der Stiftung betrieben. Als 1990 die Schulpflicht auch auf Kinder mit geistiger Behinderung ausgeweitet wurde, wurde eine Schule gegründet und auf dem Gelände der Stiftung neu gebaut. Zehn Jahre später waren die Wohnstätten fertig. Es gibt jetzt 20 Plätze für Kinder und 20 für Erwachsene mit schweren und schwersten geistigen und mehrfachen Behinderungen.

Im „Bibelmobil“ ist vom Hebräisch, der Ursprache des Alten Testamentes, über Martin Luther und die Reformation bis zur wasserfesten „Badewannenbibel“ alles über das Buch der Bücher zu erfahren, gleich daneben kann sich jeder einmal selbst wie Luther fühlen und seine eigenen Thesen an die Tür zu Wittenberg heften. Davon wird reichlich Gebrauch gemacht: „Weniger Dezernate, mehr Mitarbeiter an der Gemeindebasis“, ist da zum Beispiel zu lesen.

Eine große Grafik zeigt die Ausdehnung des Kirchenkreises Egeln, der von Marienborn über Schönebeck, Staßfurt, Aschersleben, Pansfelde, Gatersleben und Cochstedt bis Hordorf reicht. Die Besucher sind aufgefordert, ihren Heimatort zu finden und mit kleinen bunten Fähnchen zu markieren, und so wird der Kreis mit Leben und Farbigkeit erfüllt.

Genauso ist es auch auf dem Festgelände. Man kann Handarbeiten, Schnitzereien, Töpferwaren, Bücher und Kerzen erwerben, einen Workshop besuchen, den Weg der Kaffeebohne mit fairem Lohn verfolgen oder eine Runde auf dem Pferd reiten. Es gibt aber auch die Möglichkeit, im Raum der Stille das seelsorgerische Gespräch zu suchen, und wer Appetit hat, darf zwischen Pommes, Würstchen, Kaffee, Kuchen, Eis und Co. wählen. Viele Teilnehmer in T-Shirts mit dem Motto des Tages „So viel zum Glück“ fallen auf. Sie gehören zur Klusstiftung, sind Bewohner oder Betreuer, das ist nicht immer leicht zu unterscheiden. „So ist das Konzept“, sagt Pfarrer Holger Holtz, der für die Organisation des Festes verantwortlich war. „Es gibt Patenschaften. Bewohner mit geringeren Behinderungen kümmern sich um diejenigen, die mehr Hilfe brauchen.“

Zum Thema „Glück“ gibt es auf der Hauptbühne eine moderierte Diskussion mit geladenen Gästen, zu denen auch Uwe Morich vom Vorstand der Klusstiftung gehört. Er sagt: „Das Zusammenleben in Gruppen wie in einer Familie, das ist gelebtes Glück. Wenn ich aber ständig Glück erfahre, dann ist es nichts Besonderes mehr. Das fällt nur Außenstehenden auf, die sich sagen, so möchte ich später auch leben, wenn ich es allein nicht mehr schaffe.“

Eine von vielen, die heute glücklich sind, ist Manuela Menzel. Sie hat soeben einen Bibelspruch auf einer alten Gutenberg-Druckerpresse selbst hergestellt und strahlt. Geholfen haben ihr Stephan Naumann, der die Druckmaschine bedient und mit dieser Attraktion den ganzen Tag gut zu tun hat, und Peggy Lenz, ihre Wohngruppenbetreuerin. Manuela ist körperlich und geistig behindert und lebt seit 1983 in der Klusstiftung. Das und vieles andere weiß Christina Michel auf Anhieb, die selbst seit 1974 hier wohnt und fast alle Daten im Kopf hat, wie die Betreuerin sichtlich beeindruckt erzählt. Manuela gehört auch zu denen, die am Nachmittag beim Theaterstück mitwirken, das die Bewohner der Stiftung in wochenlanger Arbeit eingeübt haben. Die Geschichte von Jona im Walfisch gefällt den vielen Zuschauern. Birgit Kilian aus Aschersleben ist voller Hochachtung, mit welcher Inbrunst die behinderten Laienkünstler spielen und singen.

Vor allem der Darsteller des Jona hat es ihr angetan: „Viel Text, und dabei so sicher, ich bin begeistert.“ Sie ist übrigens Mitglied der Kantorei und gehört zu denen, die später am Nachmittag zusammen mit Kantor Thomas Wiesenberg und anderen Chören zu einem offenen Singen zusammenkommen, um den ereignisreichen Tag stimmungsvoll ausklingen zu lassen.

Zusammenleben wie in einer große Familie gehört hier zum Glück.
Zusammenleben wie in einer große Familie gehört hier zum Glück.
I. Pocklitz Lizenz