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Im Kopftuch am Steuer Im Kopftuch am Steuer in Aschersleben: Führerschein für Frauen aus Syrien

Von Detlef Anders 22.07.2017, 09:45
Madlin Alchikh Omar hat es geschafft.
Madlin Alchikh Omar hat es geschafft. Frank Gehrmann

Aschersleben - Auffallend viele Frauen mit Kopftuch sitzen in diesen Tagen am Steuer von Fahrschulautos. Täuscht der Eindruck? „Nein, bei uns lernen fünf Frauen aus Syrien das Autofahren“, bestätigt Angela Strohkorb von der Ascherslebener Ostring-Fahrschule. Madlin Alchikh Omar ist eine von ihnen. Am Mittwoch bestand die 27-Jährige ihre praktische Prüfung. Auch die theoretische absolvierte sie fehlerfrei. Sie wollte die Fahrprüfung beim ersten Mal bestehen, sagt die junge Syrerin. Deshalb war sie wohl auch so aufgeregt. „Alles ist wichtig. Es gibt so viele Regeln, deshalb muss man sich sehr konzentrieren“, sagt sie nach der Prüfung.

Jeans, Turnschuhe und Kopftuch

Die Frau trägt Jeans und Turnschuhe zum Kopftuch. Vor sieben Jahren lernte sie ihren Ehemann Mohamad Alchikh Omar kennen, der seit 2001 in Deutschland lebt. Bei einem Urlaub in Syrien verliebten sich die beiden ineinander. Inzwischen erwartet das Ehepaar sein viertes Kind. Omar, der in Deutschland zwei Jahre studierte und dann in Aschersleben zum Zahntechniker ausgebildet wurde, ist seit zwei Jahren mit einem Lebensmittelgeschäft im Zentrum Ascherslebens selbstständig. Vor ein paar Wochen eröffnete er nebenan noch einen Imbiss. Als Soziallotse mit guten Deutschkenntnissen hilft er vielen Landsleuten, hier Fuß zu fassen. Nun hat sich die Familie ein Haus in der Nähe Ascherslebens gekauft.

Bislang konnte Madlin Alchikh Omar die Wege in Aschersleben zu Fuß bewältigen, doch künftig ist sie auf ein Auto angewiesen. Der Führerschein ist da unerlässlich. Und Madlin war nicht die einzige Syrerin, die sich entschloss, den Führerschein zu machen. Vier weitere Frauen, darunter die Schwester und die Schwägerin Omars, lernen ebenfalls in Aschersleben das Autofahren.

Auch die Schwester und die Schwägerin machen Fahrschule

Autofahrende Frauen sind in Syrien nichts Ungewöhnliches. Die Hälfte aller Frauen habe einen Führerschein, sagt Madlin Alchikh Omar. Syrien sei mit seinen verschiedenen Religionen ein offenes Land gewesen, ergänzt ihr Mann. Nur werde in Syrien nicht nach so vielen Regeln gefahren wie in Deutschland üblich. Dichtes Gedränge herrscht auf den Straßen, und er mutmaßt, dass Deutsche dort wohl ihre Probleme am Steuer hätten. In Deutschland ist Autofahren ganz wichtig, bestätigt Omar. Wenn die Männer Arbeit haben, müssten sich die Frauen um die Kinder kümmern. Auch wenn sie einen Job oder Ausbildungsplatz suchen, wird fast immer ein Führerschein vorausgesetzt.

Ausländer mit den deutschen Verkehrsregeln vertraut zu machen, ist für die Ostring-Fahrschule übrigens nicht ganz ungewöhnlich. Zunächst waren es Russlanddeutsche, später kamen Fahrschüler aus Vietnam, der Türkei, China, Mazedonien, Rumänien und Spanien hinzu. Die syrischen Frauen jedoch seien besonders lernfleißig, sagt Volker Strohkorb, der Chef der Fahrschule. „Die theoretischen Prüfungen haben sie alle beim ersten Mal bestanden.“

Freunde helfen beim Übersetzen

Die Fahrsituationen und die theoretischen Fragen werden meist mit Hilfe von mehrsprachigen CDs oder Apps, die es auch auf arabisch gibt, gelernt. Bei der Theorie-Ausbildung helfen den Syrerinnen, die nicht so gut deutsch sprechen, übersetzende Freunde. Die theoretische Prüfung kann sogar in der jeweiligen Heimatsprache abgelegt werden.

Bei den fahrpraktischen Prüfungen wird es für viele ausländische Fahrschüler schwer, weil die Prüfer mit ihnen auf deutsch sprechen und niemand als Dolmetscher im Auto hilft, wie das bei den normalen Fahrstunden möglich ist. Nicht alle sprechen so gut deutsch wie Madlin Alchikh Omar, die die Theorie-Prüfung sogar auf Deutsch ablegte.

Die Kosten tragen übrigens alle ausländischen Fahrschüler selbst, betont Volker Strohkorb. Der Chef der Fahrschule wird von der jungen Syrerin besonders gelobt: „Herr Strohkorb ist der beste Fahrlehrer. Er hat viel Geduld. Es war super.“ (mz)