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Hotelschicksal Hotelschicksal: Steht «Reißaus» nun vor dem Aus?

04.02.2002, 15:45

Bad Suderode/MZ/dan. - Für den Unterpächter habe sich der Betrieb nicht mehr rentiert, informierte Ursula Pliete, Sachbereichsleiterin für Immobilien bei der Berliner Dienststelle Ost der Bundeseisenbahnvermögensverwaltung. Das 43-Betten-Haus mit seinem 90 Gäste fassenden Saal, Gaststätte und Swimmingpool war in der DDR-Zeit Ferienheim und das dahinter liegende Areal Kinderferienlager der Reichsbahn gewesen. Als nach der Wende fast alle Hotels und Ferienheime des Kurortes schlossen, war das "Reißaus" eines der wenigen Häuser, die überlebten. Doch nach der Fertigstellung des Kurzentrums, in dem fortan die Faschingsveranstaltungen stattfanden, und weiterer Pensionen in der Nähe der Kureinrichtung wuchsen an der Nordhäuser Heerstraße die Schwierigkeiten des als Sport und Wanderheims des Verbandes Deutscher Eisenbahner-Sportvereine (VDES) geführten Hauses.

Die Bahn habe für das Haus "im Augenblick keine andere Verwendung", informierte Ursula Pliete. Die Hallenser Dienststelle habe es vom VDES zurückübernommen. "Man wird es letztendlich veräußern", meinte die Sachbereichschefin. Eine Zeitvorstellung gäbe es nicht, denn auf das Grundstück haben zwei vorgeblich vorherige Eigentümer vermögensrechtliche Ansprüche gestellt. Diese müssten erst geklärt werden. Kontakt gibt es jedoch bislang nur zu einem der Antragsteller. Dass der "Reißaus" ein ähnliches Schicksal erfährt wie das frühere Eisenbahnerheim in Alexisbad, das bereits seit der Wende leer steht und nach einem Wasserrohrbruch kaum noch zu verkaufen scheint, als Ruine endet, wie das Heckert-Heim in Gernrode, oder geschliffen werden muss, wie das EHW-Heim in Benneckenstein, glaubt bei der Bahn niemand. Das Hotel ist nun mit Metallvorsätzen in den Erdgeschossfenstern vor unbefugtem Betreten und Vandalismus gesichert worden.

Das frühere Gasthof "Reißaus" war 1749 an der Heerstraße zwischen Quedlinburg und Nordhausen gebaut worden. Der erste Pächter, der Güntersberger Gastwirt Friedrich Hanckel, konnte seinen Verpächter 1754 persönlich kennenlernen. Friedrich II. von Preußen rastete hier und ließ sich vielleicht auch das Bier des Stecklenberger Amtsbrauhauses schmecken. Der "Reißaus" war damals eine Relaisstation. Acht Pferde für die königliche Kutsche, 46 Pferde für die übrigen Wagen und 13 Reitpferde ließ der Alte Fritz am 14. Juni 1754 hier wechseln, um die Reise von Heteborn über den Harz möglichst schnell zu schaffen. Nachweisbar ist, dass der König während des Umschirrens seine erste Harzer Kolonie besichtigte und die Kolonisten ermahnte, möglichst viele Obst und Schattenbäume zu pflanzen. Zum Andenken daran wurde einer dieser Bäume "Königslinde" genannt, Sie stand bis zum Abriss des alten Gasthauses davor. Am 20. Oktober 1991 pflanzte Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen die neue Königslinde und enthüllte außerdem eine Gedenktafel zu Ehren Friedrichs des Großen.