Hilfsangebot für Bedürftige Hilfsangebot für Bedürftige: Essen und noch Zuspruch obendrauf
Staßfurt/MZ. - Einmal stand ein Mann mit einer Mikrowelle in der Tür. Dass die "Staßfurter Tafel" eine brauchen könnte, hatte er in der Zeitung gelesen. Und irgendwie war ihm klar, dass die Leute von der "Tafel" auf Spenden angewiesen sind.
Jeden Tag putzen die fünf Mitarbeiter Klinken. Sie werben, reden, überzeugen, sammeln ein zu Gunsten von Mitmenschen, für die das tägliche Brot nicht selbstverständlich ist. Den Frauen und Männern der "Tafel" ist es gelungen, eine Reihe von Partnern zu gewinnen, die bereit sind, regelmäßig Lebensmittel abzugeben: Bäckereien, Supermärkte, Pizzabäcker. Brot und Brötchen vom Vortag lassen sich leicht aufbacken und schmecken dann immer noch. Fleisch- und Wurstwaren, Joghurt und andere Milchprodukte können manchmal, wenn sie kurz vorm Verfallsdatum sind, nur noch schwer verkauft werden. Besser, sie rechtzeitig abzugeben. Obst- und Gemüsestiegen mit einigen faulen Früchtchen sind zu schade zum Wegwerfen, wenn man aussortieren kann. All diese Güter finden bei der "Staßfurter Tafel" dankbare Abnehmer.
Jeden Tag zwischen 8.30 und 14.30 Uhr packen Irene Hänsch und ihre Kollegen in Tüten, was bei den täglichen Touren zusammengekommen ist. Und geben es an jeden ab, der bedürftig ist. Die Bedürftigkeit wird durch den Staßfurter Pass nachgewiesen, den jeder Sozialhilfeempfänger automatisch bekommt und der zum verbilligten Nutzen städtischer Einrichtungen berechtigt. Damit die fünf ABM-Leute der "Tafel" den Überblick behalten, wer wie oft kommt, geben sie einen "Tafel-Pass" aus. Dort ist vermerkt, wie viele Kinder die Familie hat, und hier wird jeder Tafel-Besuch abgehakt. "Die Empfänger zahlen einen symbolischen Beitrag von 50 Cent", erklärt Irene Hänsch, die das Projekt über eine ABM leitet. Weil die meisten sich besser fühlen, wenn sie nicht das Gefühl haben, etwas geschenkt zu bekommen.
Und die Mitarbeiter selber? Ist es nicht peinlich, ständig auf Bitt-Tour zu sein? Die Antwort von Frau Hänsch fällt eindeutig aus: "Peinlich ist mir das nicht. Weil ich''s ja nicht für mich mache. Und es kommt immer darauf an, wie man den Leuten begegnet", stellt sie fest. Diese Erfahrung macht auch Fahrer Peter Lorenz, der täglich auf festgelegter Tour unterwegs ist, um die Waren abzuholen. "Das Benehmen des Fahrers ist das A und O", meint er. Und wenn doch mal eine unpassende Bemerkung fällt, versucht er, es zu überhören und nicht persönlich zu nehmen.
Zwischen 350 und 400 Menschen sind es wöchentlich, die das Angebot der "Tafel" nutzen. Und was sie entgegennehmen sind nicht nur Lebensmittel, sondern auch ein Stück Zuwendung, ein Stück Anteilnahme an ihrem persönlichen Schicksal. "Wir kennen mittlerweile jeden und wissen, was mit ihm los ist", so Brunhilde Kiel, die früher über ABM hier beschäftigt war und jetzt ehrenamtlich aushilft.
Die Geburtsstunde der Tafel schlug im November 1999. Der Vorgänger von Irene Hänsch, Thomas Kirchmeier, hatte im Fernsehen einen Bericht über die Hamburger Tafeln gesehen und meinte, dies sei auch was für Staßfurt. Und so trommelte er für seine Idee - beim Stadtrat, bei den Parteien, beim Bürgermeister. Beim Geschäftsführer des "Initiativkreises" - einer Beschäftigungsgesellschaft ähnlich der Öseg im Altkreis Aschersleben - fand er offene Ohren. Heute arbeitet die "Staßfurter Tafel" unter dem Dach des Initiativkreises auf der Basis von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, wird unter anderem von der PDS und der Stadt Staßfurt unterstützt.
Im Laufe der Zeit konnte die "Tafel" ihr Angebot sogar noch erweitern: Zwölf bis 14 Stammkunden kommen an jedem Tag zum Mittagstisch - die Portionen holt die "Tafel" vom Berufsförderungswerk ab, komplettiert mit dem, was gerade verfügbar ist. Und auch hier gilt, dass das Essen nur die eine Seite ist. Die andere ist Zuwendung in einem von Mangel geprägten Alltag.