"Ich habe gern gearbeitet" Hecklinger Straße in Aschersleben: Hausärztin Elfriede Anders geht nach 44 Jahren in Ruhestand

Aschersleben - Als Elfriede Anders elf Jahre alt war, da hatte sie ein festes Ziel: „Ich wollte Medizin studieren und dann zu Albert Schweitzer gehen nach Lambarene.“ Das erste Ziel hat Elfriede Anders erreicht. Nach Lambarene ging sie jedoch nicht.
In dieser Woche wurde die Allgemeinmedizinerin im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) in der Hecklinger Straße in den Ruhestand verabschiedet. Wladimir Holodniak wird an der Seite von MVZ-Chefin Bettina Fritsche die Patienten betreuen.
Arbeit im Versorgungszentrum Hecklinger Straße
Seit 1974 war die Medizinerin, die aus Bernburg stammt, in Aschersleben tätig. Die halbe Stadt kennt sie. „Ich habe gern gearbeitet. Das war mein Leben.“ Das Reden mit den Patienten, um Beschwerden zu erkennen, „das Wecken“, wie sie sagt, wird ihr fehlen.
Gern machte Elfriede Anders Hausbesuche, und manch einem brachte sie auch mal von unterwegs ein Brötchen mit. „Allgemeinmediziner werden immer ein bisschen belächelt, aber man muss wirklich viel wissen“, betont sie. Man könne nicht alle Krankheiten kennen, „aber man muss das Gespür für den Patienten haben“.
Hat er etwas Schlimmes oder ist er nur ein Simulant? Sie kannte die Großeltern, die Eltern und die jungen Leute, die sich heute freuen, dass sie immer noch da ist.
Anders wurde als sechstes Kind einer Familie geboren
Elfriede Anders ist fast 68 Jahre alt. Als Katholikin hat sie in der DDR keine Jugendweihe gemacht. Aber sie war das sechste Kind einer Arbeiterfamilie. Die Eltern waren aus dem Sudetengebiet vertrieben worden.
Sie lernte nach der achten Klasse in Ballenstedt den Beruf einer Krankenschwester mit Abitur. Diese Ausbildung habe ihr anschließend beim Studium geholfen, sagt sie. „Aber ich war fürchterlich betroffen, als ich in der neunten Klasse als erstes auf der Entbindungsstation war und sah, wie schwer es ist, ein Kind zu bekommen.“
Als Medizinstudentin arbeitete sie in der Poliklinik Nord
Anschließend studierte sie fünf Jahre in Halle Medizin. Während des Studiums bekam sie ihren ersten Sohn, ohne das Studium deswegen zu unterbrechen. „Das war nicht leicht. Aber ich war wirklich besessen, Ärztin zu werden.“
Gut fand sie, dass sie schon während des Studiums zwei halbe Tage pro Woche in der Poliklinik Nord in Aschersleben Praxiserfahrung für die Allgemeinmedizin sammeln konnte.
Nach dem Studium wurde sie zur Familienzusammenführung nach Aschersleben „gelenkt“, wo ihr Mann herkam. Sie kam an die Poliklinik Nord. Als jüngste Ärztin war sie sogar in der Ärztekommission. Nachdem sie ihr zweites Kind bekam, verteidigte sie schwanger ihre Doktorarbeit und ging neun Monate nach der Geburt wieder arbeiten.
Arbeit im Kosmonautenviertel und zeitweise in Ermsleben
„Ich staune manchmal, wie man es gemacht hat.“ Nach der Wende verteidigte sie noch einmal die Promotion mit ihrer Kollegin Barbara Becker. Bis 1993 blieb sie im Ascherslebener Kosmonautenviertel. „Ich war mit Leib und Seele in der Poliklinik.“ Zwischendurch war sie aber zweimal für mehrere Monate in Ermsleben.
1993 zog sie mit ihrer Kollegin Becker in die Hecklinger Straße. Ihr Ehemann hatte den alten Schlachthof gekauft und umgebaut. Zu den bittersten Erfahrungen zählte für sie, dass auch sie eine heimtückische Erkrankung ihres eigenen Mannes nicht erkennen konnte und ihn verlor.
Dankbar ist sie dagegen der erfahrenen Krankenschwester, die ihr in der Poliklinik als schüchterne junge Ärztin zur Seite stand. „Solch eine erfahrene Frau war wichtig.“ Oder auch den älteren Kollegen, die Hinweise gaben und sie auch mal lobten. „Ich werde das Menschliche vermissen“, sagt sie und meint auch das Vertrauen, das ihr von den Patienten entgegengebracht wurde.
Anders erwägt Tätigkeit als Beraterin der Diakonie
Als Rentnerin möchte sie sich zuerst um ihren zweiten Ehemann kümmern, der gerade eine Operation hatte. Den fünf Enkeln ihrer beiden Söhne würde sie auch gern einen Teil ihrer Zeit widmen. Vielleicht wird sie aber auch als Beraterin für die Diakonie oder Rehasportgruppen noch mal im medizinischen Fach tätig, überlegt sie. „Ich würde gern noch einmal irgendetwas machen.“ (mz)