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Handwerker zu DDR-Zeiten Handwerker zu DDR-Zeiten: Sie hinterließen Spuren für die Ewigkeit

Von Christiane Rasch 28.12.2017, 06:55
Auch am Brückenbau war die Brigade beteiligt.
Auch am Brückenbau war die Brigade beteiligt. Gehrmann

Aschersleben - Was Rolf Uhlrich zu DDR-Zeiten in Aschersleben gebaut hat? Die Frage sei eher, was nicht, so der 78-Jährige.

Ob Weltzeituhr, Brücken oder Eigenheime - wenn vor der Wende in Aschersleben ein Stein auf den anderen gesetzt wurde, hatte nicht selten Uhlrich seine Finger im Spiel.

Bis zur Wende leitete der Ascherslebener die sogenannte Feierabend-Brigade. Eine Gruppe aus zehn, manchmal sogar bis zu 20 Männern, darunter Maurer, Zimmermänner, Fliesenleger - „alles, was auf dem Bau kriecht und fleucht“, sagt Uhlrich.

Die meisten von ihnen arbeiteten tagsüber beim Wohnungsbaukombinat oder in der Werkzeugmaschinenfabrik. „Nach Feierabend haben wir dann Aufträge für die Stadt erledigt“, sagt der Ascherslebener.

Handwerker zu DDR-Zeiten: Arbeitskräfte waren rar

Doch wie kam es überhaupt dazu? Uhrlich erinnert sich, dass in den 1970er Jahren Arbeitskräfte für Bau- und Reparaturarbeiten rar waren, weshalb in vielen Städten Brigaden in Mode gekommen seien.

In Aschersleben habe sich der Rat der Stadt eine solche Truppe gewünscht und so wurde schließlich 1975 die Feierabendbrigade gegründet - mit Einverständnis der Arbeitgeber.

„Wir brauchten jedes Jahr eine neue Genehmigung von unseren Betrieben, weil wir abends und auch am Wochenende im Einsatz waren“, erinnert sich Uhlrich.

Die Betriebe wussten nicht nur von der Nebentätigkeit der Handwerker, sondern unterstützten diese zum Teil auch mit Material, wenn dieses nicht von der Stadt bereitgestellt wurde.

Handwerker zu DDR-Zeiten: Die Neun und die Sechs ließen sich auseinanderhalten

Besonders im Gedächtnis geblieben ist dem 78-Jährigen die Arbeit an der Weltzeituhr am ehemaligen Platz der Jugend, der heutigen Herrenbreite.

Nachdem die Brigade diese errichtet hatte, sollten die Männer ein von Heinrich Rademacher entworfenes Mosaik anbringen. Doch als alle Teile angeklebt und verputzt waren, bildeten die Steine ein wild gemustertes Durcheinander - und keine Vögel, die um die Welt fliegen.

Amüsiert erklärt Uhlrich, dass an allen Mosaikteilen Nummern zur Orientierung angebracht waren. Jene mit einer sechs und neun allerdings ließen sich nicht auseinanderhalten.

Die Folge: Alles musste abgespachtelt und neu angeklebt werden. Von dieser mühevollen Kleinstarbeit ist heute allerdings nichts mehr zu sehen, da die Uhr später mit Edelstahl ummantelt wurde.

Das wegzustecken fällt Uhlrich nicht leicht: „Alles, was zu DDR-Zeiten gemacht wurde, musste irgendwann weg“, so sein Eindruck.

Handwerker zu DDR-Zeiten: Auch kleinere Arbeiten fielen im Alltag an

Dabei mangelt es nicht an Spuren der Feierabendbrigade. Da wäre zum einen die Schulmauer am Stephaneum, die 1979 bis auf das Fundament abgetragen und mit Bruchsteinen neu aufgebaut wurde.

Während dieser Arbeiten fanden die Ascherslebener einen in einer Glasflasche verschlossenen Zettel, auf dem sich 1907 die einstigen Erbauer verewigt hatten. Nach diesem Vorbild mauerte die Brigade eine neue Flasche ein.

An der damaligen 1. POS führten die Handwerker auch kleinere Arbeiten aus, die im Alltag anfielen - etwa wenn die Aula hergerichtet werden musste, oder im Heizkeller etwas nicht in Ordnung war, war die schnelle Hilfe gefragt.

„Ich hatte von halb Aschersleben die Schlüssel“, sagt Uhlrich mit einem Lächeln.

Auch den Jugendklub in der Tonkuhle, mehrere Gaststätten, Eigenheime und Wohnungen bauten die Männer aus. Im Einsatz waren sie zudem im Tierpark und unter der Burg, als die Fuchsbrücke errichtet wurde. Nach der Wende war sie das letzte große Projekt der Brigade. Der Kontakt zwischen den Mitgliedern blieb jedoch weit darüber hinaus bestehen. (mz)