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Gustav Schreiber Gustav Schreiber: Familie Foxford besucht Aschersleben

Von Kerstin Beier 05.10.2014, 12:54
David und Alison Foxford (2.v.l.) im Gespräch mit Ursula Meinz, Redaktionsleiterin Kerstin Beier sowie Museumsleiterin Luisa Töpel (rechts).
David und Alison Foxford (2.v.l.) im Gespräch mit Ursula Meinz, Redaktionsleiterin Kerstin Beier sowie Museumsleiterin Luisa Töpel (rechts). Frank Gehrmann Lizenz

Aschersleben - Wenn Gustav Schreiber wüsste, dass seine Erkennungsmarke aus dem I. Weltkrieg hundert Jahre später aus dem australischen Adelaide in seine Heimatstadt Aschersleben zurückkehrt - er hätte sich sicher gefreut.

Am Montag besuchten David und Alison Foxford während einer Deutschlandtour die kleine Stadt an der Eine. Im Gepäck hatten sie jenes kleine Stück Blech, das den Soldaten in allen Kriegen eine Identität gibt, wenn sie fallen oder schwer verwundet werden.

Aus Besitz der Großmutter

Die Marke stammt aus dem Besitz der Großmutter von David Foxford, die im I. Weltkrieg als Krankenschwester in einem Lazarett Dienst tat und dort den damals blutjungen, schwer verwundeten Gustav Schreiber pflegte. Der dankbare Soldat schenkte ihr die Marke. Sie blieb im Besitz der Familie. Der Besuch der Foxfords im Aschersleber Museum setzte jetzt das letzte Teil in ein Puzzle, das mit Hilfe der MZ-Leser Stück für Stück erhellte, was für ein Mensch der Soldat Gustav Schreiber gewesen ist. Aus Australien war die Bitte gekommen, bei der Suche nach Verwandten zu helfen. Das ist gelungen, mit Ursula Meinz und Dieter Sabottge hatten sich eine Nichte und ein Neffe gemeldet, die Schreiber aus eigenem Erleben kannten und einiges über ihn erzählen konnten.

Lesen Sie weitere Einzelheiten auf der nächsten Seite.

Gefreut hätte sich Gustav Schreiber sicher auch über die Herzlichkeit, mit der sich seine eigenen und die Nachfahren der Krankenschwester Emmie Driver hundert Jahre später begegneten. Es gab keinerlei Berührungsängste zwischen David und Alison und den drei Verwandten von Gustav Schreiber, die extra ins Museum gekommen waren - im Gegenteil. Es war, als würden sich alle schon lange kennen, und als David die Erkennungsmarke auf den Tisch legte, waren sich alle einig: Die bleibt im Museum. Gemeinsam mit zwei ganzseitigen Zeitungsberichten, die in der australischen Presse zu dieser Geschichte erschienen sind. Sie zeigen unter anderem historische Fotos von Emmie Driver und das Bildnis der beiden Mädchen, die die Suche nach Gustav Schreiber ausgelöst hatten: Urenkelin Kristy Foxford und ihre Cousine Shane, die derzeit als Austauschschülerinnen in München sind.

Bis vor kurzem war der ehemalige Soldat Gustav Schreiber nicht viel mehr als ein Name, ein Geburtsdatum und ein Wohnort auf einer Erkennungsmarke aus dem Ersten Weltkrieg. Das änderte sich, als sich ein Deutschlehrer aus Australien mit der Bitte an die Lokalredaktion wandte, bei der Suche nach Verwandten von Gustav Schreiber zu helfen.

Leser und Nachkommen haben mit ihren Hinweisen dazu beigetragen, aus dem Stück Blech eine Lebensgeschichte werden zu lassen. Gustav Schreiber hat den Krieg überlebt. Den Wahn der Kriegstreiber bezahlte er mit seinem Arm. Er kaufte in den 20er Jahren ein Häuschen am Stadtrand in einer Siedlung für Kriegsversehrte. Viele Berufe blieben ihm wegen seiner Kriegsverletzung verwehrt. Er trug Zeitungen aus und kassierte das Abo-Geld, später arbeitete er in der Poststelle der Kreisverwaltung und als Bote.

Von weiteren Schicksalsschlägen blieb der verschlossene Mann nicht verschont. Seine einzige Tochter starb mit 14 Jahren, auch seine Ehefrau und eine Lebensgefährtin verlor er infolge von Krankheiten.

Gustav Schreiber starb 1972. Übrigens im gleichen Jahr wie die englische Krankenschwester Emmie Driver, die seine Erkennungsmarke so lange aufgehoben hatte.

Freude bei Museumsleiterin

Museumsleiterin Luisa Töpel freut sich über das neue Exponat in ihrem Haus. „Es ist besonders schön, dass wir damit einen Gegenstand zeigen können, der mit einer besonderen Geschichte verbunden ist“, sagte sie. Demnächst wird es als Exponat des Monats in einer Vitrine im Eingang zu sehen sein.

Noch am Abend reisten die Foxfords nach Berlin zurück, wo sie noch einen Tag bleiben werden. Anschließend geht es nach Heidelberg und von dort aus nach Paris und London.

Den Beitrag in der MZ, das mussten wir versprechen, werden wir natürlich nach Adelaide schicken. Der gehört als Abschluss unbedingt dazu. (mz)

Den Angaben auf der Marke ist zu entnehmen, dass Gustav Schreiber am 1.2. 1899 geboren wurde und in der Oberstraße 3 wohnte. Seine Einheitsnummer war Ers.Batl.R. I.R 72.K. Rekr Dept 4861.
Den Angaben auf der Marke ist zu entnehmen, dass Gustav Schreiber am 1.2. 1899 geboren wurde und in der Oberstraße 3 wohnte. Seine Einheitsnummer war Ers.Batl.R. I.R 72.K. Rekr Dept 4861.
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