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Simson SR2 Gisela Ewe aus Aschersleben: Erinnerungen an Simson-Mopeds in der Jugend

Von Detlef Anders 19.01.2019, 09:57
Gisela Ewe hatte als Jugendliche ein Simson-Moped SR2. Für dieses Foto fuhr die MZ mit ihr ins Heimatmuseum Ditfurt, wo es noch ein Exemplar gibt.
Gisela Ewe hatte als Jugendliche ein Simson-Moped SR2. Für dieses Foto fuhr die MZ mit ihr ins Heimatmuseum Ditfurt, wo es noch ein Exemplar gibt. Gehrmann

Aschersleben - Gisela Ewe hatte kürzlich ihren 72. Geburtstag gefeiert und nach Zeitungsartikeln über die Erfahrungen von MZ-Lesern mit ihren Simson-Mopeds an ihren 15. Geburtstag gedacht. Von 1961 bis 1969 fuhr sie nämlich auch ein Simson-Moped. Es war der SR2 ihres Vaters.

Gisela Ewe wohnte mit ihren Eltern in Aschersleben „Über den Steinen“ bzw. Darre, wo heute ein Parkplatz ist. Ihr Vater hatte dort ein kleines Gehöft, die Mutter ein Lebensmittelgeschäft und die Oma einen Gemüseladen.

Das Moped hatte ihr der Vater damals auch nicht zum Spazierenfahren geschenkt, berichtet sie im Heimatmuseum in Ditfurt, wo ein SR2 in der Landwirtschaftsausstellung zu sehen ist. „Meins war beige“, erinnert sie sich vor dem rot lackierten Zweirad von Heimatvereinsmitglied Uwe Meyer.

Benzinhahn auf, starten mit den Pedalen

„Vorher musste man den Bezinhahn aufdrehen“, schildert sie lachend die Zeit, als sie mit Pedaltritten das Gefährt startete. „Ich habe immer für 4,50 Mark drei Liter getankt.“ Die Erinnerungen sprudeln aus ihr.

Sie habe die Fahrerlaubnis machen müssen, schildert Gisela Ewe. Auf dem Grundstück der Eltern am Hangelsberg in Aschersleben mussten jeden Morgen die Hühner aus dem Stall gelassen werden. Und abends wurde der Stall zum Schutz des Federviehs vor Füchsen abgesperrt.

Der Vater fuhr deshalb zweimal am Tag mit dem SR2 auf den Berg. Wenn er im Winter aus dem Laden kam, war es aber schon dunkel. „Da hat er gesagt, du machst jetzt einen Moped-Schein, damit du da hochfahren kannst. Es war also nicht etwa, damit die Göre Moped fahren kann, sondern damit sie was tun kann“, meint Gisela Ewe heute darüber schmunzelnd.

Fahrerlaubnis, um sich um Hühner kümmern zu können

Wie die Fahrschule dann gelaufen ist? „Es gab keine Schulung. Es gab auch keine praktische Prüfung“, erinnert sie sich und erzählt vom Selbststudium eines Buches. Dann sei man einfach zur Prüfung gegangen und habe ein paar Fragen beantworten müssen.

Sie konnte die Funktion einer Ampel erklären und als dann die Frage kam, ob man bei einer roten Ampel nach rechts abbiegen könnte - grüne Pfeile gab es nicht - habe sie intuitiv im Gegensatz zu einem älteren Herren richtig geantwortet.

„Ich habe gedacht, wenn der so blöd fragt, dann darf man das. Und das war damals - vor 1970 tatsächlich so.“ Nach der Prüfung gab es gleich die Fahrerlaubnis in die Hand. Nur eine Mark, die sie dafür gleich bezahlen sollte, hatte sie nicht mit.

Nach der Prüfung gab es die Fahrerlaubnis in die Hand

Nachdem sie versprochen hatte, die eine Mark eine Woche später zu bringen, bekam sie das Dokument aber gleich mit. Die 15-Jährige musste also nicht noch einmal mit dem Fahrrad den Berg zur damaligen Polizei fahren, sondern kam schon mit dem SR2.

Von dem seit 1957 in Suhl produzierten Moped SR2 wurden 900.000 Stück hergestellt. Es hatte eine Höchstgeschwindigkeit von 45 Kilometer pro Stunde, und Gisela Ewe war auf dem Weg zu den Hühnern schon mal neidisch auf eine Landwirtin, die mit einem KR50-Moped an ihr locker vorbeizog.

Ewe bedauert, dass sie keine Fotos hat von ihrem SR2

Ihre neunten Klasse der EOS, dem heutigen Stephaneum, hatte dann zu Pfingsten 1962 eine Fahrt zum Zelten am Treuen Nachbarteich bei Straßberg im Harz organisiert. „Wir wollten unbedingt mit den Mopeds hin. Die anderen sind mit den Fahrrädern hochgefahren“, erinnert sie sich. Die beiden Schulkameraden hatten aber keinen SR2, sondern die schnelleren KR50. „Die mussten sich anpassen, ich wollte ja unbedingt mit dem Moped hochfahren.“

Leider gibt es aber keine Fotos von ihr und dem SR 2 bedauert sie die fehlenden Beweise. Aber sie erzählt auch von einer Mopedfahrt vom Teich nach Stolberg. „Wir konnten da rumdüsen, das war irgendwie Freiheit“, schildert sie das Gefühl auf dem Simson-Moped. Mit dem Fahrrad wäre sie nie nach Stolberg runter und wieder hochgefahren.

Ausgesprochenes Pech hatte sie nie mit dem Moped. Nur Ärger mit dem Vater, weil sie beim Tanken in der Langen Reihe mal zu viel bezahlt hatte und sich betrogen fühlte. Den SR2 fuhr sie, bis er nicht mehr zu reparieren war. Und einige kleinere Reparaturen - zumindest den Tausch von Zündkerzen - konnte sie selbst erledigen.

In vielen DDR-Betrieben gab es Mopeds und Motorräder

Noch in der Schulzeit machte Gisela Ewe die Fahrerlaubnis für einen Traktor. „Wir mussten damals neben der EOS einen Beruf erlernen. Das gab es nur von 1962 bis 1968“, erzählt sie. So wurde sie Saatzucht-Facharbeiterin und lernte Traktorfahren. Gisela Ewe studierte anschließend und wurde Diplom-Landwirtin.

Und auch dort kam sie mit Simson-Mopeds in Berührung. In der LPG Beuna bei Merseburg fuhr sie auch mit einem SR2 zu den Äckern. Beim elfmonatigen Betriebsleiterpraktikum im fünften Studienjahr in Meisdorf bekam sie dann ein Simson-Moped vom Typ „Spatz“ gestellt.

Sie lernte dort auch das Mähdrescherfahren und das Fahren eines Geräteträgers mit der Bezeichnung RS09. Als einmal Kühe der LPG ausgerissen waren, suchte sie die Tiere mit dem Spatz und fand sie in Ballenstedt. Mit anderen Mitarbeitern musste sie die Tiere per Spatz-Hilfe zurück treiben. „Wir waren den ganzen Tag unterwegs. “

Auf den Betriebs-Spatz folgte eine Betriebs-MZ

Der Spatz wurde nicht nur von ihr gefahren. Als eines Tages der Rahmen gerissen war - „ich war aber nicht zu schwer“ - kaufte der LPG-Chef ein MZ-Motorrad. „Ich war ganz stolz, dass ich als Mädchen die neueste Maschine fahren durfte.“ Das war aber auch das Ende ihrer Simson-Zeit.

Mit ihrem Mann hatte sie noch mal ein Erlebnis mit dem Motorrad. Als der sie bei der Kur besuchte, verlor er auf dem Weg den Nachschalldämpfer. Er habe gedacht, dass ihn ein Hubschrauber verfolgt, berichtet Gisela Ewe lachend.

Dann habe ein komplett neuer Auspuff montiert werden müssen, da es das Teil nicht einzeln gab. „Motorrad- und Mopedfahren hat etwas“, gesteht sie. Da kamen auch Mähdrescher, Traktor und Autos später nicht ran. (mz)