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Gebäudekomplex "Weißer Engel" Gebäudekomplex "Weißer Engel": Himmlisches Wesen fällt Stadt zur Last

Von Hendrik Kranert 04.12.2001, 16:35

Quedlinburg/MZ. - Im Oktober vergangenen Jahres hatten die Abgeordneten der Veräußerung des geschichtsträchtigen Hauses zugestimmt, die Einnahmen sollten der Haushaltskonsolidierung zugute kommen. Ein Mitglied einer Quedlinburger Gastronomenfamilie bestätigte am Dienstag gegenüber der MZ, dass ihr Hotelprojekt gescheitert, man vom Kaufvertrag zurückgetreten sei. "Weil es keine Fördermittel vom Land gab", so die Begründung.

"Der Investor hat den Kaufvertrag am 6. November gekündigt", sagte der Wirtschaftsförderer der Stadt Quedlinburg, Hans-Joachim Witzel. Genau zehn Tage vor der neuerlichen Fälligkeit der Kaufsumme von 490 000 Mark. Die hätte eigentlich bereits vor einem halben Jahr ins Stadtsäckel fließen sollen, doch die Käufer baten um Aufschub, der auch gewährt wurde. Ursprünglich war geplant, aus dem Komplex ein Hotel (14 Betten, zwei Ferienwohnungen) mit Restaurant zu machen. Rund 1,8 Millionen Mark sollten investiert werden.

"Wir haben das begrüßt, eine positive Stellungnahme gegenüber dem Land abgegeben", erklärte Witzel. Die war wohl auch notwendig, denn die entsprechenden Unterlagen für die Fördermittel-Beantragung erhielt das zuständige Magdeburger Regierungspräsidium erst "auf Nachfrage vollständig". Witzel macht kein Hehl daraus, dass das Vorhaben auch eine "Gratwanderung" für die Stadt gewesen sei - schließlich gebe es inzwischen genügend Hotels dieser Art in Quedlinburg. Andererseits wäre die geplante Investition "eine Bereicherung eines markanten touristischen Punktes" gewesen, deshalb haben sich sowohl der einstige Oberbürgermeister Rudolf Röhricht als auch Bürgermeister Eberhard Brecht in Magdeburg für eine Fördermittel-Zusage stark gemacht. Witzel erklärte, dass nach einer neuerlichen Prüfung im Oktober die Signale positiv gewesen seien. Doch offenbar dauerte dies dem Investoren-Paar zu lange.

Die Stadt hat nun gleich zwei neue Probleme: Zum einen den "Engel" wieder als Klotz am Bein - es muss ein neuer Käufer gefunden werden. Witzel räumte ein, dass das nicht einfach wird, angesichts des "sehr schwierigen Immobilienmarktes". Bei einer überregionalen Ausschreibung ist er jedoch optimistisch, einen Interessenten für die attraktive Lage zu begeistern. Zum anderen aber, und das ist das größere Problem, fehlt der Stadt erneut fast eine halbe Million Mark im löchrigen Etat dieses Jahres. "Das hat natürlich Auswirkungen", so der Wirtschaftsförderer. Wohl auch deshalb "bedauert die Stadt den Rückzug der Investoren sehr".

Bedauern aber auch in ganz anderen Kreisen: Vor Jahresfrist noch echauffierte sich die Kunst- und Kulturszene Quedlinburgs über den Verkauf des "Weißen Engel". War er doch Domizil der Künstlervereinigung Q-Art und einer Galerie, die im April dieses Jahres für immer Bilder und Keramiken einpacken mussten. "Wir finden das sehr traurig", sagte Wolfgang Dreysse, nach Erhalt der Nachricht, dass der Verkauf des "Engels" rückgängig gemacht werden soll. "Denn wir hätten das Gebäude in der Zwischenzeit weiter nutzen können", erklärte der bekannte Quedlinburger Künstler. Doch die Stadt habe sich nicht positioniert, "vielleicht, weil kein Interesse an zeitgenössischer Kunst besteht".