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Gärtnerei Dietrich in Giersleben Gärtnerei Dietrich in Giersleben: Das Aus zum 120. Jubiläum

Von Marion Pocklitz 12.04.2016, 17:33
Helga Dietrich und ihr Sohn Holger kontrollieren die Stiefmütterchen. Die Gierslebener Gärtnerei gibt es seit 120 Jahren.
Helga Dietrich und ihr Sohn Holger kontrollieren die Stiefmütterchen. Die Gierslebener Gärtnerei gibt es seit 120 Jahren. Frank Gehrmann

Giersleben - Manchmal denkt Helga Dietrich daran, in den wohlverdienten Ruhestand zu gehen. Doch dann würde gleichzeitig auch die Gärtnerei in Giersleben ihre Pforten für immer schließen. Und das genau im Jahre ihres 120-jährigen Bestehens. Und so verschiebt die 77-jährige lieber diese Entscheidung und widmet sich den Blumen, die sie über alles mag und die immer noch gern bei ihr gekauft werden.

Drei Generationen

Drei Generationen von Gärtnermeistern haben hier gewirtschaftet und einst unzählige Blumen gezüchtet. Heute zeugen davon nur noch die riesigen Flächen hinter dem Haus sowie die großen und kleinen noch vorhandenen Gewächshäuser. Während die großen Glashäuser leer sind, stehen in den kleinem junge Tomatenpflanzen in Reih und Glied. „Dort habe ich 15 unterschiedliche Sorten gezogen. Unter anderem Schokotomaten, gestreifte Tigerella-Tomaten und Gourmettomaten“, verrät sie.

Auch ein breites Beet mit vielen Narzissen ist noch hinter dem Gewächshaus zu entdecken. Einige Pflanzen werden eben auch heute noch traditionell in der Gärtnerei gesät, gezogen und verkauft.

Als Theodor Dietrich die Gärtnerei im Jahr 1896 gründete, beschäftigte dieser nicht nur zehn Mitarbeiter, sondern auch da verließen schon etliche Pflanzen und Blumen den Betrieb. Um die Jahrhundertwende dann spezialisierte er sich mit dem ersten gebauten Gewächshaus auf Alpenveilchen, Maiglöckchen und Asparagus. „Das Gewächshaus war sogar mit dem Wohnhaus durch unterirdische Gänge verbunden“, verrät sie. In den Kriegsjahren dann versendete der Unternehmer etliche Gemüsepflanzen, weil der Bedarf daran extrem gestiegen war.

Der Bahnhof, der gleich neben der Gärtnerei liegt, war dafür mehr als günstig. Später sollten davon auch Sohn Paul und Enkel Helmut profitieren. Helmut Dietrich, der verstorbene Mann von Helga, musste schon früh die Gärtnerei seines Vaters Paul übernehmen. Mit nur 22 Jahren wurde er durch den Tod seines Vaters zum Chef. „Ich lernte Helmut bei einer Tanzveranstaltung kennen. Damals war ich Protokollantin bei Gericht. Nach der Heirat stieg ich aber in das Familien-Unternehmen mit ein“, verrät sie.

Dietrich-Frauen bekommen automatisch "grünen Daumen"

Damals gab es jede Menge zu tun. Doch hatte Helga Dietrich auch einen grünen Daumen dafür? „Die Frauen der Dietrichs bekommen automatisch einen grünen Daumen“, verrät Sohn Holger schmunzelnd, der zwar auch in die Fußstapfen seines Vaters in Sachen Gärtnerberuf getreten ist, dennoch aber nicht in der Gierslebener Gärtnerei arbeitet. Viel mehr unterstützt er seine Mutter heute mit Rat und Tat.

Zu DDR-Zeiten spezialisierte sich die Gierslebener Firma auf den Anbau von Chrysanthemen. Über 900 000 Pflanzen wurden jährlich produziert. „Hinter dem Haus stand ein Meer von diesen Blumen. Jedes Jahr aufs Neue. Ich mag sie auch heute noch“, verrät sie und weiter: „Durch die Nähe des Bahnhofes konnten wir sie in alle Richtungen der DDR verschicken.“ Die Gierslebener Gärtnerei Dietrich war eine von nur 13 Unternehmen, die sich auf diesen Fachbereich spezialisiert hatte. Erst vor drei Jahren hat sie dann den Spezialwagen, mit dem die Pflanzen einst zu Bahnhof gezogen worden, entsorgt.

Mit der Wende endete von heute auf morgen die Produktion der Chrysanthemen. Die Leute hatten sich diese Blumen übergesehen und wollten andere erwerben. So musste die Familie sich auf den Handel von gärtnerischen Produkten, Pflanzen, Schnittblumen, Beet- und Balkonpflanzen, Kranzbinderei und Floristik umstellen.

Und seit dem wird das Familienunternehmen Stück für Stück verkleinert. „Die Gärtnerei lohnt sich nicht mehr. Einige Flächen haben wir davon schon verkauft“, bedauert die 77-Jährige. So ganz kann Helga Dietrich das Gärtnern aber nicht lassen. Die Gierslebener danken es ihr und kaufen in der Gärtnerei nach wie vor ein. (mz)