1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Aschersleben
  6. >
  7. Fahrschule für Frauen: Fahrschule für Frauen: Sie hat ihre Angst besiegt

Fahrschule für Frauen Fahrschule für Frauen: Sie hat ihre Angst besiegt

Von Angelika Adam 16.10.2003, 19:31

Aschersleben/MZ. - Was wie die normalste Sache der Welt klingt, war für die blonde Frau, die eher einen couragierten Eindruck macht und nun gar nicht verängstigt wirkt, lange Zeit eine große, unüberwindbare Hürde. Dachte sie nur ans Autofahren, schlotterten ihr schon die Knie. Sich ans Lenkrad zu setzen und auch noch durch die Stadt mit dem vielen Verkehr zu fahren, war für sie Horror. Nicht mit Geld und guten Worten war sie zu überzeugen, ihre Angst zu überwinden.

Dabei hatte die Handelskauffrau aus Kindermoden schon lange eine Fahrerlaubnis, genauer gesagt seit 1987. Mit dem Familientrabbi war sie auch gefahren. Damals zu DDR-Zeiten, als die Straßen nicht so verstopft wie nach der Wende und nicht so viele teure Wagen unterwegs waren. "Mein Mann hätte mich fahren lassen, auch mit dem neuen Wagen. Aber ich traute mich einfach nicht", erinnert sie sich heute mit einem Schmunzeln an ihre autofreie Zeit.

Doch dann - nach längerer Zeit Arbeitslosigkeit - erhielt sie endlich eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Gleich bei der ersten Frage "Können Sie Auto fahren" musste sie ihre Angst eingestehen. "Das war mir peinlich", erinnert sie sich an das Gespräch mit Erika Schwerke, der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Aschersleben. Auf diese Antwort schien Erika Schwerke nur gewartet zu haben. Schon hatte Renate Ratzmann eine Einladung zu einer Sonderfahrschule, die am Wochenende nur für Frauen wie die 53-Jährige durchgeführt werden sollte. Frau Ratzmann ließ sich zur Teilnahme überzeugen. Und an einem Adventssonntag saß sie dann das erste Mal nach langer Zeit wieder hinterm Lenkrad. Mit ihr im Auto nur der Fahrlehrer und zwei weitere Frauen, denen es genauso ging wie ihr.

Am Mittag war es dann, als Renate Ratzmann von der Güstener Straße durch die Stadt fuhr. "Es war gar nicht schlimm. Meine Angst war wie weggeblasen", denkt sie an ihre erste Fahrt nach langer Zeit zurück und daran, wie sie am Nachmittag ihren Mann verblüffte. Als der sie von der Fahrschule abholen wollte, sagte sie nur: "Rücke mal auf den anderen Sitz" und startete das Familienauto.

Seitdem hat sie keine Angst mehr vorm Fahren. Heute setzt sie sich - als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt - ans Lenkrad, fährt durch den dichtesten Straßenverkehr, traut sich am Berg anzufahren und in eine Parklücke rein zu huschen. Und wenn es mit dem Ausparken nicht gleich auf Anhieb klappt, kriegt sie auch keine schweißnassen Hände mehr. "Andere Autos haben auch eine Bremse", ist ihr Motto geworden, das ihr die erforderliche Gelassenheit gibt. Und auch vor weiten Zielen hat sie keinen Bammel mehr. Ihre längste Fahrt führte sie über mehr als 400 Kilometer in die Lausitz. Die lange Strecke fuhr sie ganz allein. Es hat ihr sogar Spaß gemacht. Nur die Fahrt auf der Autobahn, die war eher langweilig.

Heute ist Renate Ratzmann froh, dass sie ihre Fahrangst überwunden hat. Heute kann sie in jede Bewerbung - und es sind jede Menge, denn die arbeitslose Frau Ratzmann will unbedingt wieder arbeiten - schreiben, dass sie eine Fahrerlaubnis hat und die Familie über einen Pkw verfügt.