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Ehemaligentreffen in Aschersleben  Ehemaligentreffen in Aschersleben : Das zweite Kennenlernen

Von Marko Jeschor 20.09.2016, 06:58
Jörg Beyer (Mitte) zeigte Bilder aus der Schulzeit.
Jörg Beyer (Mitte) zeigte Bilder aus der Schulzeit. Thomas Tobis

Aschersleben - Jörg Beyer hatte sich gut vorbereitet auf das Treffen. Der Klempner aus Schadeleben brachte alte Fotos mit. Fotos, die ihn und einige seine Mitschüler irgendwann in den 1960 Jahren zeigen. „Das war an der Touristenstation am Freibad“, sagt der 56-Jährige. Mit dem Motiv vom gemeinsamen Ausflug weckte Beyer Erinnerungen, das Eis war damit schnell gebrochen.

Denn für viele ehemalige Schüler, die im September 1966 in die Luisenschule in Aschersleben eingeschult wurden, war das Wiedersehen nach 50 Jahren mehr wie ein zweites Kennenlernen. Sicher, es gab herzliche Umarmungen, allerdings auch unsicheres Händeschütteln: Du warst noch einmal?, war eine häufig gestellte Frage zu Beginn. Dann folgte aber schon das: Ahhhh. Mensch, wie geht es dir?

Ellen Apel, Sekretärin an der Luisenschule und vor einem halben Jahrhundert Teil des Jahrgangs, hatte zu diesem Treffen am Samstagabend in die Schule eingeladen. Auf dem Programm stand ein Rundgang durch das Haus, in dem die ehemaligen Luisenschüler einen Großteil ihrer Schulzeit verbrachten, und später ein gemeinsames Abendessen in einem Restaurant.

Mehr als 20 Ehemalige

Gekommen waren tatsächlich mehr als 20 Ehemalige. Dabei hatte Apel einige Mühe, an die entsprechenden Kontakte zu kommen, immerhin leben und wohnen nicht wenige mittlerweile in vielen Teilen der Republik. So wie Axel Neidt, der nach der Schule zunächst den Beruf des Bäckers erlernte und 1983 nach Bad Tennstedt ins Thüringische heiratete. Mittlerweile ist der 56-Jährige Versicherungsmakler und Großvater.

„Es ist einfach traumhaft, meine Mitschüler wiederzusehen. Viele haben sich so verändert“, sagte Neidt, der bis zum Wiedersehen fast keinen Kontakt zu seiner ehemaligen Klasse hatte. Er erinnert sich noch, dass die Kinder über den Schulhof gehen mussten, um auf die Toilette - damals war es ein einfaches Plumpsklo - zu gelangen.

Seit 16 Jahren Kolleginnen

Angelika Weferling und Petra Holland dagegen führte das Schicksal vor Jahren wieder zusammen, wie beide beim Rundgang durch das Haus erzählten. Die heute 57- und 56-jährigen Frauen gingen nach der Schule für ihre Ausbildung zur Erzieherin zunächst nach Ballenstedt und Dessau.

Sie gründeten ihre Familien und verloren sich aus den Augen. Bis sie sich vor nunmehr 16 Jahren bei einem Leitungskurs in Magdeburg zufällig wieder sahen. Seither arbeiten sie als Kolleginnen gemeinsam im Montessori-Kinderhaus.

Gekommen war auch Hans-Joachim Franke, der den Jahrgang von der fünften bis zur achten Klasse als Klassenlehrer sowie in den Fächern Deutsch und Werken begleitete, damals mit Mitte Zwanzig selbst noch ein junger Mann.

Die große Überraschung

„Ich freue mich immer wieder, wenn ich zu solchen Treffen eingeladen werde“, sagt der heute 75-Jährige, der in Schackstedt aufwuchs und heute in Silberhütte im Harz lebt. Was er über die Schulzeit im Rückblick zu berichten wusste, überraschte seine ehemalige Klasse gewaltig. Denn er zeigte ihnen in den Klassenbüchern, dass dort nicht nur Noten hinter den Namen standen, es gab auch ein Vermerk zur sozialen Herkunft des Kindes. Unterschieden wurde demnach in Arbeiter- und Bauernkinder sowie Kinder von Angestellten und Selbstständigen.

„Den Arbeiter- und Bauernkinder sollte der Weg entsprechend geebnet werden“, versuchte es Franke diplomatisch auszudrücken. Heute würde man sagen, sie sollten bevorzugt werden. Der 75-Jährige betonte aber: „Für mich waren alle Kinder gleich.“ Franke blieb bis zum Ende der DDR Lehrer an der Luisenschule, danach übernahm er die Erich-Kästner-Schule als Schulleiter, die es heute nicht mehr gibt. (mz)

Petra Holland und Angelika Weferling (von links) schauten sich die Klassenbücher an.
Petra Holland und Angelika Weferling (von links) schauten sich die Klassenbücher an.
Tobis