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«David» Ryll besiegt «Goliath» Mercedes

Von Jochen Miche 30.07.2006, 15:27

Aschersleben/Stuttgart. - Innerhalb weniger Wochen hat Mercedes Benz-Autohändler Siegfried Ryll den Konzern DaimlerChrysler in die Knie gezwungen. Der Konzern muss Ryll wieder sämtliche Rechte zuerkennen, die er ihm am 16. Juli gekündigt hatte. Das hatte im Grunde das Aus für den Mercedes-Händler bedeutet, der in Wittenberge und in Aschersleben jeweils ein Autohaus der Nobelmarke führt, in denen pro Jahr zusammen etwa 550 Pkw, 90 Transporter, 50 Lkw und 400 Gebrauchtwagen den Besitzer wechseln.

Was bedeutete die Kündigung der Rechte? Ryll erläutert es: "DaimlerChrysler hat mir die Vertriebsrechte gekündigt, unsere Autohäuser vom Netz genommen, er kamen keine Mercedesteile und keine Neuwagen mehr." Er durfte nicht einmal mehr Reparaturen (Garantie und Kulanzen) erledigen, war also praktisch kaltgestellt. Der 55-jährige Autohändler hätte theoretisch die Tür schließen und seine Mitarbeiter (allein 38 in Aschersleben) vor die Tür setzen müssen. Als Begründung teilte der Konzern mit: "Nichteinhaltung der Haltedauer von Vorführwagen." Nicht allein, dass das so belanglos klang: Was Ryll besonders ärgerte war, wie er sagt, die Tatsache, dass nicht einmal ein Revisionsbericht vorlag.

Ryll war entsetzt. Ihm, der in der DDR groß geworden war, der 1990 seinen Traum von einem Mercedes-Autohaus verwirklichen und dies bis heute erfolgreich führen konnte, und dessen Markenliebe sogar so weit geht, dass er seiner Tochter den Namen Mercédès gab, ihm sollte der Stuhl vor die Tür seines Hauses gesetzt werden? Das wollte er nicht akzeptieren. "Obwohl ich keine Chance sah, in der Heimat von Mercedes, in Stuttgart, einen Rechtsstreit gegen den Konzern zu gewinnen, habe ich sofort eine einstweilige Verfügung angestrengt." David gegen Goliath: Am 10. Juli war die Verhandlung, am 16. Juli kam von DaimlerChrysler die Kündigung sämtlicher Vertriebsrechte, am 25. Juli wurde das Urteil gefällt. Ryll erleichtert: "Wir bekamen in allen Punkten Recht."

Der Kampf wurde auf vielen Ebenen geführt. Geradezu bizarr der DaimlerChrysler-Auftritt vor Gericht. Ryll kopfschüttelnd: "Die hatten doch tatsächlich als Kronzeugen einen ehemaligen Angestellten von mir präsentiert - einen, dem wegen Unterschlagung fristlos gekündigt worden war. Dessen Vorwürfe gegen mich konnten restlos entkräftet werden." David siegte.

Was wäre gewesen, wenn der Konzern gewonnen hätte? Ryll: "Dann hätte er etwa fünf Millionen Euro gespart, die fällig gewesen wären, damit ich mein Autohaus - wie es DaimlerChrysler möchte - an die Niederlassung Magdeburg abtrete." Dass sein Autohaus eine Filiale wird, will er aber verhindern - der Kampf Davids geht wohl weiter.

Der Autoliebhaber, der auf seine Marke auch weiterhin nichts kommen lässt, muss nun wieder voll als Partner des Autokonzerns eingesetzt werden. Er sagt: "Alle, die kurzzeitig von den Einschränkungen betroffen waren, haben zu uns gestanden. Besonders dankbar bin ich der Verkehrsgesellschaft Südharz, die sich sofort an Stuttgart wandte und für mich einsetzte."

Weshalb dieses Engagement? Darauf der Technische Leiter der VGS "Südharz", Helmut Bittner: "Der Service für unsere Mercedes-Busse erfolgt im Autohaus Ryll. Aufgrund der langjährigen guten Zusammenarbeit haben wir darauf gedrungen, hier weiter betreut zu werden."