Butterschmalz macht den Unterschied
MAGDEBURG/WILSLEBEN. - Dass seine Stollen schmecken - nicht nur gut, sondern sehr gut - hat auch Qualitätsprüfer Michael Isensee vom Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks bestätigt. Für 13 Bäckereien aus dem nördlichen Sachsen-Anhalt hatte am Montag die Stunde der Wahrheit geschlagen, denn sie haben sich der Stollenprüfung unterzogen, die unter dem Motto "Sachsen-Anhalts bester Stollen" im Allee-Center Magdeburg öffentlich durchgeführt worden ist.
Nervös ist Hartwig Behrens nicht, wie er da steht, mit zwei Stollen am Start - dem Butter-Mandel- und Seelandstollen -, sondern optimistisch, dass sie gut ankommen. Die beiden sind schließlich die Renner in seinem Sortiment, gehen in seinem Geschäft und den vier Filialen weg wie warme Semmeln. Ende September, sagt er, haben bereits die ersten Kunden nach dem Weihnachtsgebäck gefragt. Und dann weiß der Bäckermeister, es ist Zeit, zum ersten Mal im Jahr den Teig anzusetzen. "Das ist eine besondere Zeit, die vor dem Fest, eine arbeitsintensive, aber sehr schöne. Die Backstube riecht ganz anders", liebt seine Frau Christine, die in den seit 1833 bestehenden und nun in fünfter Generation geführten Familienbetrieb eingeheiratet hat, die süßen Weihnachtsdüfte. "Wir backen sechs bis sieben verschiedene Sorten Stollen", so Behrens. Neben den Prüfstücken Nuss- und Mohnstollen - und sogar welche ohne Rosinen: "Das geht zwar gegen unsere Ehre, aber wenn die Kundschaft es so wünscht..." Sultaninen gehören nun mal in das Gebäck wie der Christbaum zum Weihnachtsfest; sowie einige für die wenigen verbliebenen Hausbäcker, die ihren Teig nach wie vor in die Bäckerei bringen, wo er überarbeitet und gebacken wird.
Zum ersten Mal stellt sich Bäckermeister Behrens dem Vergleich. "Im vorigen Jahr haben wir schon mit dem Gedanken gespielt, teilzunehmen", erzählt er, "aber leider die Anmeldefrist verpasst." Die Stollenprüfung sehe er nicht als Wettbewerb, von Konkurrenzkampf spricht er nicht. "Wir wollen einfach mal sehen, wo wir mit unseren Stollen stehen", so Behrens, dem es in erster Linie um den Erfahrungs- und Gedankenaustausch mit seinen Kollegen geht, deren Stollen von Isensee - ihm zur Hand geht Ulrich Rode - schon auf dem Prüfstand stehen, während der Wilslebener noch darauf wartet, bewertet zu werden.
Nach Punkten erfolgt die Wertung. Nur für die vollen 100 gibt es das begehrte Prädikat "sehr gut", das der Sachverständige nur vergibt, wenn wenn alles stimmt, angefangen von der äußeren Beschaffenheit - Form und Aussehen, Oberflächen- und Krusteneigenschaft - über die Lockerung und das Krumenbild bis hin zu Geruch und Geschmack. Die Richtlinien hat die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft vorgegeben, erklärt Rode. Mittlerweile ist rund die Hälfte der 25 eingereichten Proben verkostet. Und das Ergebnis stellt Isensee bislang zufrieden. Auch die Allee-Center-Kunden lassen es sich schmecken. Und Bäcker Behrens: "Der ist besser als der erste", so sein fachmännisches Urteil, als er einen anderen Stollen probiert. Die Auswahl ist groß, zwischen Klassikern wie dem Butterstollen finden sich auch Exoten - das Früchtebrot zum Beispiel oder der Plumstollen mit Pflaumen. Wenngleich Seelandstollen nicht weniger exotisch klingt. Die Magdeburger reizt's, sie warten förmlich auf den Anschnitt dieser Köstlichkeit, die eine Besonderheit hat: "Statt Butter verwende ich hier Butter- und Schweineschmalz", verrät Behrens, was sich letztlich auf die Optik des Stollens auswirkt. Den Concordia See vor der Tür, kam im Gespräch mit einer Verwaltungsangestellten die Idee, eine Spezialität zu kreieren. Das Rezept, das sie daraufhin von der Freundin ihrer Mutter besorgt hat, stammt aus dem Vogtland. "Wir haben das ausprobiert und abgewandelt", erzählt Behrens. Der Name war schnell gefunden - "wir haben den See, das Vogtland, also Seelandstolle", so der Bäcker.
Doch egal, um welches Gebäck es sich handelt, die Herstellung ist ähnlich, "macht Arbeit und gute Zutaten kosten auch", sagt Behrens und erklärt, dass es erst mal den Vorteig anzusetzen gilt - Mehl, Milch und Hefe werden vermengt und drei bis vier Stunden stehen gelassen. Zucker, Marzipan, Mandeln und Zitronat mischt er extra, ehe alles zusammen verknetet wird. "Erst wenn das noch mal eine Dreiviertelstunde gestanden hat, kommen die Rosinen dazu", erklärt der Bäckermeister. Zwei Möglichkeiten gebe es dann: entweder den Stollen in Form zu backen oder ihn frei zu schieben. "Das sieht rustikaler aus", findet er. 40 bis 45 Minuten schiebt er ihn dann in den Ofen - je nach Größe. "Wenn zu viel Zucker verwendet worden ist, wird er dunkel", weiß er, und dass die Kunst darin besteht, den Stollen perfekt gar, aber nicht zu trocken zu backen. "Am liebsten esse ich ihn frisch", so Behrens, der seinem Beruf alle Ehre macht, schmunzelt seine Frau, denn "er isst sehr gern Süßes". "Ich muss mir jetzt erst mal einen Kaffee holen, sonst geht's nicht mehr", zieht er von dannen, denn "den einen oder anderen werde ich noch verkosten".
Mittlerweile macht sich Isensee endlich an seinem Stollen zu schaffen. Und kommt zu einem Schluss, der den Bäcker und seine Frau ganz glücklich macht, wie sie sagen. Die ausgehändigte Urkunde, auf der seine Stollen für "sehr gut" befunden werden, wird vervielfältigt und in den Geschäften ausgehängt. Und noch etwas freut ihn: In Magdeburg gibt es seit Montag einen Seelandstollen-Fanclub, das Gebäck aus Wilsleben hat den Allee-Center-Kunden am besten geschmeckt, so sehr, dass einige von ihnen sogar den Weg in den Salzlandkreis auf sich nehmen wollen, nur um einen seiner Stollen zu kaufen. Nach 25 Stollen hat auch Qualitätsprüfer Isensee seine Geschmacksnerven bis aufs Äußerste strapaziert. "Jetzt darf's mal ein Keks sein", so der Prüfer. Zumindest bis der nächste Stollen auf den Tisch kommt. Spätestens zum Fest.