Blasiikirche Quedlinburg Blasiikirche Quedlinburg: Jazzwelt wurde auf den Kopf gestellt
Quedlinburg/MZ. - "Ich muss noch etwas anschließen und dann geht''s los", meint Rupert Stamm, schlendert auf die Bühne und macht sich an seinem Vibraphon zu schaffen. Derweil sitzt Jochen Krämer am Schlagzeug und rührt sanft in den Becken. Am Mikrophon steht ein junger Mann und gurgelt leise bassige Töne.
Die Musiker stimmen, machen einen Soundscheck oder soll das etwa schon das erste Lied sein? Das Vibraphon setzt mit weichen glasklaren Tönen ein, aber völlig disharmonisch. Nein, das kann kein Lied sein. Und doch, langsam wird eine Melodie erkennbar. Die Instrumente gehen miteinander um, präsentieren die eigenwilligen, raffinierten Klanggebilde von Zabriskie Point. Spätestens jetzt fragt sich das Publikum "und das soll Jazz sein?" Die Antwort - nein, das was so locker und leicht auf der Bühne erzählt wird, sind musikalische Phantasiewelten, die selbst die kaum vorhandenen Grenzen des Jazz sprengen.
Der improvisatorische Gedanke wird zum Programm. Funklastige Lyrik paart sich mit afrikanischen Rhythmen und bewegt sich in einem Gewebe minimalistischer Figuren, lichtvoller Quersprünge, infernalischer Tempoverschärfungen und perfekt vorgetragener call-and-response Abstraktionen, die den inneren "Tanz um das goldene Lamm" allgegenwärtig erscheinen lassen. Die Musiker spielen vor allem das, was ihnen ohne jeglichen Filter in den Sinn kommt.
Nach der wohlverdienten Pause klärt Rupert Stamm das Publikum über die neue Besetzung von Zabriskie Point auf. Zwei der angekündigten Musiker, Christian Kögel und Andreas Walter (beides Gitarristen) stehen nicht wie erwartet auf der Bühne. Statt dessen bereichert Daniel, zum ersten Mal gemeinsam mit den beiden anderen Musikern, als Sänger die Band. Doch Daniel singt während des ganzen Konzertes keine einzige Textzeile. Er instrumentalisiert seine Stimme und unterlegt mal als Bass die Phantasien des Vibraphons, mal improvisiert er selbst und wird zur treibenden Kraft im Kanon der zabriskialischen Punkte.
Eine Messe bildet auch das Spiel von Jochen Krämer. Er "arbeitet" nicht am Schlagzeug, sondern führt mit diesem eine Unterhaltung, die so facettenreich wie das gesamte Klangerlebnis Zabriskie Point ist. Mal streichelt er es mit Schaumstoffplatten, bringt es zum Quietschen oder lässt es wie eine misshandelte Säge klingen. Dann hantiert er mit einer Reihe von Trommeln sowie Kleininstrumenten und entlockt diesen Töne, die sich kunstvoll ins Gesamtkonzept einbringen, aber oft genug auch ein völliges Eigenleben führen.
Über allem schwebt ausladend Rupert Stamms Vibraphon, allerdings ohne die anderen Musiker in die zweite Reihe zu drängen. Es ist der Kopf und die Seele der im Klanguniversum schwelgenden, manchmal abgeklärt schreitenden, aber immer experimentell fordernden Spielweise von Zabriskie Point.