Jüdische Kulturtage in Aschersleben Bewegende Reise: Ascherslebener Schüler schildern Eindrücke von Fahrt nach Krakau und Auschwitz
Ascherslebener Schüler haben im September eine Studienfahrt nach Krakau und Auschwitz unternommen. Im Rahmen der Jüdischen Kulturtage berichten sie in der Aula des Stephaneums, was sie dabei besonders bewegt hat.

Aschersleben/MZ - „Krakau ist eine schöne und bewundernswerte Stadt, hat aber auch eine sehr dunkle Zeit durchlebt“, stellt Anna Mantel fest. Gemeinsam mit einigen Mitschülern hat sich die Elftklässlerin vom Stephaneum mit dieser Zeit beschäftigt, auf einer Studienfahrt, bei der die Jugendlichen auch das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und das Stammlager besucht haben. Schätzungen zufolge haben die Nationalsozialisten dort während des Holocaust weit mehr als eine Million Menschen ermordet.
Mehr als eine reine Geschichtsstunde
Im Rahmen der Jüdischen Kulturtage erzählen Anna Mantel, Alina Janus und Niklas Schulz in der Aula des Stephaneums von den Eindrücken, die sie während ihrer Reise gesammelt haben. An der Fahrt, die Ende September stattgefunden hat, haben sich auch Schüler der Wema und einer Oberschule aus Zschopau beteiligt, wie Anna Mantel in einem Bericht schreibt. Sie habe sich schon vorher für das Thema Nationalsozialismus interessiert. Über die Ideologie der Nazis habe sie, ebenso wie ihre Mitschüler, schon einiges gewusst.

„Das Ausmaß der Massenmorde an Juden wurde jedoch allen erst nachdrücklich bewusst während des Besuches der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau.“ Die Führung vermittle mehr als eine reine Geschichtsstunde. „Mir kamen fast die Tränen“, sagt die Schülerin und berichtet etwa von den Bildern einst fröhlicher Familien, die später deportiert und getötet wurden, oder von Kinderzeichnungen, die den Transport von Leichen zeigen.
Auch die Elftklässlerin Alina Janus hat der Besuch des KZ mitgenommen. All die aufgehäuften Schuhe, Taschen, Prothesen, die den Menschen bei ihrer Ankunft abgenommen wurden: „Es war grausam, das zu sehen, aber auch sehr wichtig“, sagt sie und betont, dass die dort ausgestellten Gegenstände nur ein „winzig kleiner Bruchteil“ dessen seien, was die Inhaftierten abgeben mussten.
Erinnerung an Opfer des Holocaust
Besonderen Eindruck hat bei den Jugendlichen auch die Begegnung mit Lidia Maksimovic hinterlassen. Mit nur drei Jahren war sie nach Auschwitz gekommen, erinnert sich Alina Janus an das Gespräch. Da wisse man die eigene, unbeschwerte Kindheit mehr zu schätzen, sagt ein Schüler im Publikum. Ihre Mutter steckte dem Mädchen während der Haft regelmäßig Essen zu, wofür die heute 83-Jährige nach wie vor dankbar sei. Bei der Befreiung des Lagers verlor sie ihre Mutter jedoch und traf sie erst 17 Jahre später wieder.
Wie die anderen Inhaftierten hat auch Lidia Maksimovic eine Nummer tätowiert bekommen. Zahlen statt Namen: So sollten die Menschen ihrer Identität beraubt werden. Eine entwürdigende Taktik, heißt es aus dem Publikum, mache sie den Einzelnen doch zum Objekt.
Als Erinnerung und Mahnmal ist in Auschwitz das „Buch der Namen“ ausgestellt, mit dem sich Niklas Schulz beschäftigt hat. 4,2 Millionen Namen von Holocaust-Opfern werden dort gelistet. „Der Name ist tief in der Identität verankert“, sagt der Schüler. Die Namen der Opfer zu kennen „gibt ihnen ein Stück ihrer Würde zurück“. Auch Ascherslebener wurden nach Auschwitz deportiert, hat er herausgefunden. Zu ihnen gehörten etwa Lilly und Karl Silberberg mit ihren Söhnen Thomas und Stephan, die allesamt im KZ starben.
Tieferes Verständnis für jüdische Kultur
Doch die Gruppe hat nicht nur die Konzentrationslager besucht: Gemeinsam war man während der Reise, die vom Herbert-Wehner-Bildungswerk Dresden unterstützt wurde, auch im Viertel Kazimierz, wo die Krakauer Juden lebten, ehe sie von den Nazis ins Ghetto umgesiedelt wurden und dort auf engstem Raum leben mussten. Im Restaurant „Ariel“ haben die Schüler einen Abend mit traditioneller Klezmer-Musik verbracht. „Da habe ich mich gefühlt, als wäre ich in einer anderen Zeit gelandet“, sagt Alina Janus.
Die Studienfahrt habe zu „einem tieferen Verständnis für die jüdische Kultur und Geschichte“ beigetragen, bilanziert Anna Mantel und dankt den Lehrern Jana Paßler und Thoralf Merkel für die Organisation sowie Doreen Steinmetz und Mareile Köthe für die Begleitung.