BBRZ Aschersleben BBRZ Aschersleben: Dolmetschen statt Uniabschluss - lieber Anderen helfen

Aschersleben - Ahmad Al Sheikh Omar hängt gerade wieder am Telefon. Er bittet den Besucher deshalb noch um ein wenig Geduld. Auf deutsch selbstverständlich. Dann telefoniert er weiter. Es geht um einen Termin bei der Ausländerbehörde des Salzlandkreises. Ein Asylbewerber aus der neuen Gemeinschaftsunterkunft in der Froser Straße in Aschersleben muss nach Bernburg. Ahmad Al Sheikh Omar soll ihn dorthin begleiten.
Der 30-jährige Syrer sitzt im Zimmer der Heimleitung des vor einigen Monaten eröffneten Flüchtlingsheims. Er organisiert neben Heimleiter Carsten Schulze und Sozialarbeiter Arno Berndt im Auftrag des Vereins Berufliches Bildungs- und Rehabilitationszentrum (BBRZ) Aschersleben den Alltag der Flüchtlinge. Dank seiner Sprachkenntnisse ist er nicht nur schnell zum festen Ansprechpartner für alle geworden. Er ist auch der einzige Syrer in der Region, der sich sozusagen hauptamtlich für Flüchtlinge engagiert.
Sprachlicher Brückenbauer
Für das BBRZ ist Ahmad Al Sheikh Omar ein echter Glücksgriff. „Etwas Besseres hätte uns nicht passieren können“, sagt Geschäftsführer Klaus-Dieter Graul. Ahmad sei von entscheidender Bedeutung. „Ansonsten hätten wir uns hier mit Händen und Füßen verständigen müssen“, sagt Graul. Grund: Ein professioneller Dolmetscher ist bei der Arbeit mit Flüchtlingen nicht vorgesehen.
Das BBRZ übernahm erstmals Ende vergangenen Jahres die Betreuung von Flüchtlingen. Entsprechend gering ist noch die Erfahrung, wenngleich das Netzwerk aus Helfenden mittlerweile größer geworden ist, betont der BBRZ-Chef.
Der Syrer, vor über zehn Jahren für ein naturwissenschaftliches Studium nach Deutschland gekommen, spricht dank seines langen Aufenthalts mittlerweile perfekt deutsch - und auch englisch. Er fungiert damit täglich aufs Neue als sprachlicher Brückenbauer zwischen der Heimleitung, den deutschen Behörden sowie den Syrern, Afghanen und Indern, die in der Unterkunft in der Froser Straße leben, bis ihr Verfahren entweder abgeschlossen ist oder irgendwo im Salzlandkreis eine Wohnung frei wird.
Der Verein Flibb aus Bernburg hat laut Heimleiterin Daniela Loß keinen Muttersprachler aus Syrien in der Belegschaft. Als Nachteil empfindet der Verein das allerdings nicht. „Wir haben keine Probleme“, sagte Loß. Hauptsächliche verständigen sich die Mitarbeiter in den Flüchtlingsheimen in englischer Sprache, „viele Asylbewerber können nach mehreren Jahren in Deutschland aber auch deutsch“. Die helfen etwa bei Arzt-Terminen bei der Verständigung.
Der Verein ist für die Gemeinschaftsunterkünfte im Teichweg, in der Köthensche Straße und in der Aderstedter Straße in Bernburg sowie für die Einrichtung in der Wilhelm-Feit-Straße in Aschersleben zuständig. Flibb hat sich aus dem Dachverband der Arbeiterwohlfahrt ausgegliedert und arbeitet seit Anfang 2015 in verschiedenen Flüchtlingsheimen im Kreis.
Vereidigte Dolmetscher kommen trotz des großen Flüchtlingsandrangs im Landkreis kaum zum Einsatz, wie die Kreisverwaltung auf MZ-Anfrage mitteilte. Lediglich in Einzelfällen, etwa bei einer Befragung für einen Visa-Antrag, werde ein professioneller Übersetzer angefordert. Ansonsten bringen Asylbewerber häufig eine Person ihres Vertrauens zur Unterstützung mit, hieß es im Fachdienst Ausländer- und Asylrecht. In vielen Fällen verständigen sich die Verwaltungsmitarbeiter in englischer Sprache.
Spricht ein Mitarbeiter wie Seluan Al-Chakmakchi arabisch, erfüllt der Kreis damit mehr als die vorgebenen Anforderungen. Wie viele Mitarbeiter Fremdsprachen beherrschen, kann die Kreisverwaltung jedoch nicht sagen. Um die Arbeit künftig zu erleichtern, werde etwa bei Neueinstellungen verstärkt Wert auf Fremdsprachenkenntnisse gelegt, hieß es.
In der Regel werden Dolmetscher für Gerichtsverhandlungen oder Vernehmungen durch die Polizei angefordert. Die Aufträge erteilten dann aber diese Institutionen.
Der 30-Jährige hat nicht nur die Hausordnung in die arabische Sprache übersetzt, damit alle wissen, was erlaubt ist und was nicht, und hilft Asylbewerbern bei ganz banalen Alltagsfragen, selbst wenn es nur darum geht, wo der Besen steht. Er gibt darüber hinaus auch Sprachkurse für die Flüchtlinge, steht neben anderen Deutschlehrern dafür mehrmals in der Woche vor verschiedenen Klassen.
"Das ist eine größere Aufgabe."
Das BBRZ stattete ihn im November zur Heimeröffnung dafür sogar mit einem befristeten Arbeitsvertrag aus. Entsprechend ließ Ahmad Al Sheikh Omar die Bachelor-Abschlussarbeit kurz vor der Abgabe endgültig ruhen, auch wenn er für diese Entscheidung von seiner Universität zunächst kritisiert worden war. Er sagt: „Das ist eine größere Aufgabe. Ich fühle mich angesichts der vielen Flüchtlinge hier nützlicher.“
Grund: Er weiß, worauf es in Deutschland ankommt, immerhin half er vor seinem Engagement beim BBRZ bereits seinen eigenen Familienmitgliedern, nach Deutschland zu kommen und hier alle notwendigen Anträge zu stellen. Erst vor einigen Wochen holte er seine Frau Rama, eine Rechtsanwältin, aus Syrien nach Aschersleben nach.
Dass er sich ausgerechnet in der beschaulichen Einestadt niedergelassen hat, liegt übrigens schlicht an seinem Bruder Mohamad Alchich Omar. Der betreibt den „Palmyra Bazar“, den Laden in der Breiten Straße also, der sich mit seinem Angebot auch speziell an Moslems richtet. (mz)