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Aschersleben Aschersleben: Jäger vertreiben Rehe vom Friedhof

Von Uwe Kraus 27.04.2013, 11:48
Ein Reh flüchtet vom Gelände des Friedhofs in Aschersleben.
Ein Reh flüchtet vom Gelände des Friedhofs in Aschersleben. Gehrmann Lizenz

Aschersleben/MZ - Asca, der Deutsche Kurzhaar von Rolf Wenzel, Asta, ein Schäferhund, den Daniela Burkart an der Leine hat, Wolfgang Billert mit einem Rottweiler sowie Isabell Weiner mit Cocker Amelie sowie rund 30 Mitarbeiter des städtischen Bauwirtschaftshofes stehen am Morgen einer unbekannten Zahl von Rehen gegenüber.

Die haben sich den Friedhof zu ihrem Einstandsgebiet erkoren. Immer mehr Menschen, die hier die Gräber ihrer Toten mit Grün versehen haben und der Friedhofsverwaltung machen die Paarhufer mächtig zu schaffen. Seit Jahren versucht die Stadt, die ungebetenen Gäste vom Friedhof zu verbannen. Joachim Rennecke ist ebenso verärgert (Mitteldeutsche Zeitung vom 20. April), dass Rosen und Nelken vom Grabschmuck kurz nach der Beerdigung radikal weg gefressen wurden, wie Rolf Wenzel, dem gleich mehrere Grabstellen verunstaltet wurden.

Natur außerhalb des Zauns

Gerade der hintere Teil des Friedhofs zählt zu den Lieblingsorten der Rehe. Wie viele es sind, vermag niemand zu sagen. Zwar seien die Umzäunungen gut in Schuss gebracht worden, damit die Tiere nicht mehr rein können, so Holger Dietrich, beim Bauwirtschaftshof unter anderem verantwortlich für den Friedhof. Aber immer wieder äsen Tiere auf dem Gelände und haben hier ihre Ruheplätze. Begünstigt wird die Reh-Invasion durch den Zustand außerhalb des Friedhofzaunes. Hier holt sich die Natur gerade wieder den Großteil einer Industriebrache zurück.

Die „Friedhofsruhe“ beenden jetzt Mitarbeiter des Bauhofes und die Hunde in aller Frühe, noch bevor sich die Tore offiziell öffnen. „Wir werden die Tiere beunruhigen und sie auf die Läufe bringen“, erklärt Waidmann Rolf Wenzel, der seinen Asca immer bei sich führt. Im dichten Gestrüpp lässt er ihn von der Leine. Doch dem Jagdhund scheint an dieser Stelle das Glück nicht hold. Mit der Hundepfeife ruft Herrchen ihn zurück. „Die Rehe brauchen hier auf dem Friedhof nicht zu fressen, die Tafel ist in freier Natur jetzt reichlich gedeckt“, bescheidet Wenzel. Eigentlich sei das, was an diesem Morgen abläuft, eine Drückjagd. Geschossen wird dabei jedoch nicht. Denn das sei in dieser dicht besiedelten Ecke problematisch.

Flatternd verunsichern

Den Friedhofsmitarbeitern rät der Jäger, an den Zäunen Flatterbänder anzubringen. Die Rehe seien „Bewegungsseher“ und würden dadurch beim Eindringen auf die für sie verbotene Fläche verunsichert.

In breiter Front wie bei einer richtigen Jagd im Wald bewegen sich die „Treiber“ vom Haupttor aus über den Gottesacker. Sie machen keinen Radau, aber allein durch ihr Gehen und das Händeklatschen können sie die Rehe aufscheuchen. Trotz des Großeinsatzes rührt sich nichts. Ein paar Vögel fliegen auf, sonst regt sich an diesem lauen Morgen nichts.

Doch der Schein trügt. Plötzlich kommt Bewegung in die Treiber. Ein Reh, ein zweites, sie scheinen auf die orangebejackten Bauhofmitarbeiter zuzustürzen. Während das eine den angebotenen „Fluchtweg“ durch ein geöffnetes Tor nutzt, springt das andere wieder in Richtung Gräberfeld und ward von seinen Häschern nicht wieder gesehen.

Bleibt zu hoffen, dass sich auch das Tier in den nächsten Tagen vom Gelände trollt. Schließlich sollen die wildlebenden Bambis in den vergangenen Wochen völlig pietätlos einen Schaden auf den Friedhofsgräbern angerichtet haben, den Betroffene als fünfstellig beziffern.

Mitarbeiter des Bauwirtschaftshofs und des Tierheims in Aschersleben beteiligten sich an der so genannten Drückjagd.
Mitarbeiter des Bauwirtschaftshofs und des Tierheims in Aschersleben beteiligten sich an der so genannten Drückjagd.
Gehrmann Lizenz