"Reine Repression" Ameos-Betriebsrat Holger Waack Aschersleben spricht über Kampf um Tarifvertrag und Kündigung: Das ist reine Repression

Aschersleben - Holger Waack hat im Klinikum in Aschersleben einen großen Teil seines Berufslebens verbracht: Seit rund 20 Jahren ist er hier beschäftigt, seit 2017 ist er leitender Oberarzt in der Klinik für Urologie.
Ein Jahr später wurde der heute 50-Jährige in den Betriebsrat gewählt. Bei den andauernden Streiks der Ameos-Mitarbeiter in Aschersleben gilt Waack als Zugpferd. Bereits Ende vergangenen Jahres hat Klinikbetreiber Ameos gegen den derzeit beurlaubten Oberarzt ein Kündigungsverfahren eingeleitet. Max Hunger hat mit Holger Waack über die Gründe und das Verhalten des Schweizer Konzerns gesprochen.
Herr Waack, seit 2001 arbeiten Sie am Klinikum Aschersleben. Warum streiken Sie jetzt?
Holger Waack: Ameos präsentiert sich selbst oft als sozialer, offener Arbeitgeber, aber das stimmt nicht. Die Mitarbeiter in Aschersleben haben seit sieben Jahren keine Gehaltssteigerung bekommen und verdienen viel weniger als ihre Kollegen an anderen Orten. Nach Verhandlungen mit den Gewerkschaften bekommen etwa die Ameos-Mitarbeiter in Hildesheim 100 Prozent des Tariflohns wie er im öffentlichen Dienst gezahlt wird. Ich frage mich einfach, warum das hier im Osten nicht möglich ist.
Der Klinikbetreiber verweist auf die millionenschweren Defizite, die die Krankenhäuser in Aschersleben und Staßfurt haben. Ist es nicht wirtschaftlich nötig, die Gehälter niedrig zu halten?
Waack: Das glaube ich nicht. Dass die Löhne so niedrig sind, ist der Strategie der Gewinnmaximierung der Ameos-Gruppe geschuldet. Es ist ohne Zweifel möglich, besser zu zahlen, ohne das Unternehmen in den Konkurs zu stürzen. Bei anderen Klinikbetreibern geht das ja auch.
Ameos sieht das anders.
Waack: Natürlich. Aber die Zahlen, die ich recherchiert habe, sprechen eine andere Sprache: Ameos hat die Klinik in Aschersleben 2012 mit einem Minus von über 20 Millionen Euro übernommen. Daraus ist bis 2017 ein Plus von 2,5 Millionen Euro geworden. Das heißt: Die Mitarbeiter haben in nur fünf Jahren einen riesigen Betrag erwirtschaftet. Das gilt in ähnlichen Größenordnungen auch für die Krankenhäuser in Bernburg und Schönebeck.
Gegen Sie wurde ein Kündigungsverfahren ausgesprochen. Warum?
Waack: Das ist reine Repression, weil ich mich gegen den Konzern gestellt habe. Aber das würde Ameos nie zugeben. Der offizielle Grund ist natürlich ein anderer.
Was ist der offizielle Grund?
Waack: Der ist noch schlimmer: Man wirft mir berufsethisches Fehlverhalten vor. Der Hintergrund ist, dass ich eine Nachfrage zu einer Operation gestellt habe. Damals wurde ein eigentlich geplanter Eingriff als Notfall deklariert. Ameos unterstellt mir in diesem Zusammenhang, die Meinung des Traumatologischen Chefs und der Chefärztin der Anästhesie in Frage gestellt zu haben. Das ist total an den Haaren herbeigezogen.
Was haben Sie anschließend unternommen?
Waack: Ich habe mir einen Anwalt genommen und gegen meine Kündigung geklagt. Das Kündigungsverfahren läuft noch. Die erste Verhandlung ist im Juli.
Glauben Sie an einen Sieg vor Gericht?
Waack: Ja. Ich glaube nicht daran, dass Ameos Recht bekommt. Wenn Ameos dennoch vor Gericht gewinnen sollte, habe ich wohl in diesem Land nichts mehr zu suchen.
Ärzte werden im ganzen Bundesgebiet händeringend gesucht. Warum sind Sie trotz der Konflikte noch hier?
Waack: Die Situation schlaucht mental sehr, klar. Aber meine Kollegen, die mich in den Betriebsrat gewählt haben, haben mir damit auch einen Auftrag gegeben - ihre Interessen zu vertreten. Und das nehme ich sehr ernst.
Wie lange wollen Sie sich noch im Arbeitskampf engagieren?
Waack: Bis der Tarifvertrag für die Mitarbeiter da ist. Oder, bis man mich entlässt und mir dann von einem Gericht verboten wird, hierherzukommen. (mz)