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Abwassergebühren Abwassergebühren: Pläne aus Magdeburg empören Bürgerinitiative

Von Marko Jeschor 28.01.2014, 17:12

Gatersleben/MZ - Der Aufschrei war bis ins politische Magdeburg zu hören. „Frech“ und „arrogant“ waren dabei noch die harmloseren Bezeichnungen, die die Mitglieder der Bürgerinitiative (BI) Bezahlbares Abwasser Gatersleben gen Landeshauptstadt schickten. Damit reagierten sie auf die aktuellen Pläne von Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) zur Verjährung von Gebührenansprüchen.

Dabei kritisiert die BI nicht das Vorhaben an sich, wonach Kommunen oder Verbände innerhalb von zehn Jahren offene Forderungen eintreiben müssen, sonst verjährt der Anspruch. Das künftige Gesetz findet durchaus Zustimmung bei dem 350 Mitglieder starken Verein. Schließlich stützte man sich auch auf die Argumentation, die jetzt das Land für die geplanten Veränderungen heranzieht - es gibt ein Urteil vom Bundesverfassungsgericht für Bayern.

Vielmehr geht es um den Zeitpunkt der Bekanntmachung. BI-Sprecher Mario Lange argwöhnt, dass das Ministerium schon länger wisse, dass deshalb Handlungsbedarf bestehe. Schließlich ist das Urteil aus Karlsruhe schon über ein Jahr alt. Das räumte das Innenministerium auf MZ-Anfrage auch ein. Man habe den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts mit Beginn des Jahres 2013 geprüft, teilte Ministeriumssprecherin Anke Reppin mit. Darüber hinaus führten Vertreter der BI aus Gatersleben auch ein Gespräch mit Minister Stahlknecht zu dem Thema. Selbst der Petitionsausschuss des Landtages beschäftigte sich im vergangenen Jahr mit dem Anliegen. „Niemand hat erkennen lassen, dass geplant ist, Kommunen eine Frist für die Eintreibung von Beiträgen zu setzen“, kritisiert Lange.

Vorwurf der Abzocke

Grund für den Ärger sind nicht zuletzt auch die Bescheide, die im vergangenen November von der Stadt Seeland verschickt worden waren. Die Verwaltung trieb damit die Beiträge für den Anschluss an das Abwassersystem in Gatersleben ein, gegen die die BI jahrelang so heftig gekämpft hatte. Die Rentnerin Margarete Eismann war eine von denen, die dieser Aufforderung nachgekommen sind. Exakt 581,58 Euro musste sie für den Anschluss zahlen. „Das ist reine Abzocke“, schimpfte sie.

Gatersleben baute sich Anfang 2000 eine eigene, neue Kläranlage mit einem fast vollständig ausgebauten Kanalnetz. Die Bürger mussten für den Anschluss ihrer Grundstücke an das örtliche Abwassersystem jahrelang nicht zahlen. Grundlage dafür war die entsprechende Satzung zur Abwasserbeseitigung von 1997. Die wurde vor einigen Jahren von der mittlerweile zuständigen Kommunalaufsicht des Salzlandkreises für ungültig erklärt. Grund laut Aufsichtsbehörde: Die Satzung hätte in vollem Umfang an allen Schaukästen im Ort ausgehängt werden müssen.

Tatsächlich gab es nur eine sogenannte Hinweisbekanntmachung. Die vollständigen Unterlagen lagen im Rathaus aus. Die Bürgerinitiative Bezahlbares Abwasser Gatersleben argumentierte, dass es unmöglich sei, alle 80 Seiten der Satzung in einem normalen Schaukasten auszuhängen. Zudem sei die Hinweisbekanntmachung damals üblich gewesen. Und wenn, dann hätte auch die zuvor auf die gleiche Art und Weise veröffentlichte Hauptsatzung des Ortes - die ja Grundlage für Recht und Ordnung ist - ebenfalls ungültig sein müssen.

Die Bürgerinitiative plant eine Mitgliederversammlung zum Thema Verjährung im Bürgerhaus in Gatersleben. Die soll am Mittwoch, 12. Februar, um 18 Uhr beginnen. Besprochen werden sollen die nächsten Schritte der BI. In dem Zusammenhang rät der Vorstand, Widerspruch gegen Bescheide einzulegen, nach denen eventuell auch für die Beseitigung von Regenwasser gezahlt werden müsse. Eine Klage dagegen sei mittlerweile nicht mehr auszuschließen, erklärte BI-Sprecher Mario Lange. Vor der Mitgliederversammlung wird es noch ein Gespräch zwischen dem Vorstand des Vereins und der Bürgermeisterin der Stadt Seeland, Heidrun Meyer, geben.

Die Veränderungen im Kommunalabgabengesetz sollen nach den Plänen des Innenministeriums noch im ersten Halbjahr in den Landtag eingebracht werden, womöglich schon im März oder April. Neben der CDU begrüßt auch die SPD den Vorstoß. „Wir wissen schon seit einem Dreivierteljahr, dass wir Handlungsbedarf haben“, hatte Fraktionsvize Rüdiger Erben unlängst erklärt. Minister Stahlknecht begründete die Änderung so: „Innerhalb von zehn Jahren sollte jede Kommune in der Lage sein, Gebühren einzufordern.“ (MJE)

Andere Grundstückseigentümer bekamen laut BI Rechnungen bis zu 2?000 Euro. Die meisten hätten die Forderungen aus den Bescheiden beglichen - ohne Widerspruch einzulegen. So hatte es die BI nach einer Mitgliederversammlung auch geraten. Problem: Sie haben damit keine Chance, ihr Geld wiederzusehen. Auch dann nicht, wenn die Verjährung vom Landtag beschlossen wird. Die Gesetzesvorlage soll noch in den nächsten Monaten eingebracht werden.

Zahlungen geringer als befürchtet

Letztlich wurde die Auseinandersetzung zwischen BI und Verwaltung nur beigelegt, weil die Stadt einen Kompromiss vorschlug. Ab 2015 wird Gatersleben zwar wie geplant Teil des Zweckverbandes Ostharz. Bis dahin müssen Grundstückseigentümer in Gatersleben jedoch nur 4,30 Euro pro Quadratmeter für Abwasser und für Regen 6,70 Euro pro Quadratmeter Dachfläche bezahlen - wesentlich weniger als befürchtet.

Nicht alle der insgesamt 750 Grundstückseigentümer haben jedoch das Widerspruchsrecht ungenutzt gelassen, teilte die Bürgermeisterin der Stadt Seeland, Heidrun Meyer, mit. Sie nannte aber keine genauen Zahlen. Meyer war nach eigener Aussage ebenso überrascht wie erschrocken von der Ankündigung des Innenministers. „Dann hätte man anders agieren können.“ Die Bürgermeisterin verteidigte jedoch, Bescheide überhaupt verschickt zu haben. „Alles basiert auf geltendem Recht.“ Jedoch will sie die Widersprüche erst bearbeiten lassen, wenn Klarheit herrscht.

Das Innenministerium verwies lediglich auf die allgemeine Rechtslage. Eine Beitragspflicht entstehe demnach, sobald ein Grundstück an eine Einrichtung wie eine Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossen werde, frühestens jedoch mit Inkrafttreten der Satzung. Es gebe also keine zeitliche Obergrenze für die Beitragserhebung, teilte Sprecherin Anke Reppin mit. „Bis es eine neue Regelung gibt, haben Kommunen das Geld auch einzutreiben.“ Ohnehin würden nach Ansicht des SPD-Landtagsabgeordneten Bernward Rothe die Bescheide auch bei einer Änderung des Gesetzes nicht in Frage gestellt. Gemeinden seien grundsätzlich verpflichtet, ihre Ausgaben durch Einnahmen zu decken. Das sei in Gatersleben nicht geschehen. Tatsächlich wurden die Kosten zur Abwasserbeseitigung teilweise durch Zuschüsse aus der Gemeindekasse gedeckt.