Urteil in Sekunden Urteil in Sekunden: So schnell stecken wir Kollegen in Schubladen

In nur wenigen Sekunden entscheiden wir, wie wir andere Menschen einschätzen – ob sie zum Beispiel intelligent, erfolgreich oder abenteuerlustig auf uns wirken. Psychologen nennen diesen Vorgang „thin slicing“ „Feinschneiden“. Natürlich lassen sich viele dieser Urteile über uns und andere auch beeinflussen, zum Beispiel durch Gestik, Mimik, Sprache oder Kleidung.
Vertrauenswürdig oder nicht
In einer Zehntelsekunde entscheiden Menschen, ob jemand vertrauenswürdig ist, fanden Forscher der Universität Princeton (USA) heraus. Für den Test zeigten sie einer Gruppe von Studenten Fotos mit Gesichtern darauf: Die Testpersonen mussten innerhalb von 100 Millisekunden die Attraktivität, Kompetenz, Sympathie, Aggressivität und Vertrauenswürdigkeit der Abgebildeten bewerten. In einer Vergleichsgruppe durften sich die Studenten so lange Zeit für die Bewertung lassen, wie sie wollten. Während andere Eigenschaften abhängig von der Betrachtungszeit der Fotos waren, hatte die Zeit keinen großen Einfluss auf den Faktor Vertrauenswürdigkeit.
Hoher oder niedriger Status
Kleider machen Leute – zumindest ein bisschen. Einer Studie der Tilburg University (Niederlande) zufolge werden Menschen mit Markenkleidung, getestet wurden Lacoste und Tommy Hilfiger, als höher angesehen, was ihren Status betrifft. Wer keine Designerkleidung trägt, schneidet in Sachen Status schlechter ab. Hinsichtlich anderer Faktoren unterschied sich die Wahrnehmung von Menschen mit und ohne Markenklamotten allerdings nicht, stellten die Wissenschaftler fest: „Es gab keine Unterschiede bei der Einschätzung von Attraktivität, Freundlichkeit oder Vertrauenswürdigkeit.“
Intelligent
Schauen Sie Ihrem Gegenüber in die Augen – dann wirken Sie intelligenter. Das ergab eine Studie der Loyola Marymount University in Kalifornien. Forschungsleiterin Nora A. Murphy und ihr Team fanden heraus, dass Menschen als deutlich cleverer eingeschätzt werden, wenn sie ihrem Gesprächspartner anschauen. Außerdem wirkt man intelligenter, wenn man eine Brille trägt und besonders ausdrucksstark spricht.
Wirken Sie auf andere dominant, erfolgreich oder abenteuerlustig? Mehr dazu wie wir Menschen einschätzen, lesen Sie auf der nächsten Seite.
Sexuell freizügig
Eine Studie der University of Liverpool (England) fand heraus, dass Frauen mit sichtbaren Tattoos als weniger attraktiv, aber sexuell freizügiger und sexuell aktiver eingeschätzt werden als Frauen ohne Tätowierung. Demnach wird tätowierten Frauen allgemein ein wilderer Lebensstil zugeschrieben, wozu auch mehr Alkoholkonsum gehört. Eine aktuellere Studie der University of Texas bestätigte dies: Tätowierte Frauen werden demnach als promiskuitiver eingeschätzt. Allerdings konnten die US-Forscher keinen Unterschied bei der wahrgenommenen Attraktivität von Frauen mit und ohne Tätowierung feststellen.
Dominant oder unterwürfig
Gute Nachricht für Männer, die mit ihrer Glatze hadern: Ein kahler Kopf wirkt machtvoller als eine dichte Haarpracht. Wissenschaftler der University of Pennsylvania (USA) fanden heraus, dass „Männer mit kahl rasierten Köpfern als dominanter eingeschätzt werden im Vergleich zu Männern mit dichten Haaren“. Den Testpersonen wurden digital bearbeitete Fotos von denselben Männern, einmal mit und einmal ohne Glatze, vorgelegt. Ergebnis: Glatzenträger wurden als dominanter, größer und stärker wahrgenommen.
Erfolgreich
Sie wollen erfolgreich wirken? Dann gehen Sie am besten zum Schneider. In einer britisch-türkischen Studie (University of Hertfordshire/Istanbul Bilgi University) mussten sich Testpersonen fünf Sekunden lang Fotos von Männern in maßgeschneiderten Anzügen und Männern in Anzügen von der Stange anschauen. Demnach wirkten die Männer in auf den Leib geschneiderten Sachen deutlich erfolgreicher auf die Betrachter. „Basierend auf den Studienergebnissen ist also zu raten, sich einen gut geschnittenen Anzug zuzulegen. Dies kann das Bild verbessern, das andere von ihnen haben“, schreiben die Autoren.
Doktortitel
Kleidung wirkt sich nicht nur auf den Status aus, sondern auch auf das Karriere-Potenzial. Forscher zeigten kanadischen Studenten Fotos von männlichen Models – einmal in Business-Kleidung, einmal in normaler Straßenkleidung. Die Testpersonen wurden dann unter anderem gefragt, wie geeignet die Abgebildeten für verschiedene berufliche Tätigkeiten seien. Das Resultat der Studie im Auftrag der Unternehmensberatung Robert Half: Schicker gekleidete Männer wurden nicht nur als Besserverdiener eingeschätzt, sondern ihnen wurde auch eher ein Doktortitel zugeschrieben.
Abenteuerlustig
Nicht nur das Aussehen wird von anderen Menschen bewertet, sondern auch, wie man sich bewegt, zeigt eine Studie der Durham University. Testpersonen schauten sich Videos von 26 Studenten mit verschiedenen Gangarten an – die einen gingen ganz locker und entspannt, die anderen machen kleine, steife Schritte. Nur ein paar Sekunden waren nötig, um die Persönlichkeit einzuschätzen. Fußgänger mit ausladenden und lockeren Schritten wurden als extrovertierter und abenteuerlustiger eingeschätzt, während die Fußgänger mit kleineren Schritten als neurotischer angesehen wurden. (gs)

