Republica 2015: Mensch und Maschine Republica 2015: Mensch und Maschine: Die unsichtbaren Porno-Löscher bei Youtube

Berlin - Google ist ein traumhafter Arbeitgeber. Eine Armada von Shuttle-Bussen holt die Mitarbeiter zu Hause ab, auf dem Google Campus in Mountain View können sie kostenlos essen, die Kinderbetreuung ist geregelt. Am Arbeitsplatz gratis ins Fitnessstudio? Check.
Es ist eine scheinbar perfekte Welt da im Silicon Valley. Doch längst nicht jeder, der für Google tätig ist, darf daran teilhaben. Für den Suchmaschinengiganten arbeiten Tausende unsichtbarer Helfer zu Mini-Löhnen. Ohne Versicherung, ohne Urlaubsanspruch, ohne Arbeitnehmerrechte.
Keine Pornos bei Youtube
Die „Magie” der Google-Suche ist nur möglich, weil Heerscharen von „Google quality raters” den ganzen Tag vor dem Rechner sitzen und Suchergebnisse bewerten. Menschen bringen dem Algorithmus bei, welche gefundenen Webseiten gut sind und welche nicht. „Hat sich schon mal jemand gefragt, warum es bei Youtube keine Pornos gibt?”, fragt Speaker Johannes Kleske bei seinem Vortrag „Mensch, Macht, Maschine” ins Publikum. Er gibt die Antwort gleich selbst: „Weil es Menschen gibt, die sie den ganzen Tag lang aussortieren.”
Die Datenhausmeister
Die New York Times nennt diese Menschen Datenhausmeister, auch Begriffe wie Crowdworker oder Clickworker sind geläufig. Sie sind das schlecht bezahlte Prekariat der digitalen Welt. Es gibt sie, weil Menschen in vielen Bereichen einfach besser arbeiten als Maschinen. Beim Identifizieren von Werbung oder Hasskommentaren zum Beispiel.
Ausbeutung als Geschäftsmodell
Dank dieser Mitarbeiter, die gar keine sind, sparen Facebook, Google und Co. laut Kleske 30 Prozent ihrer Kosten. Die Ausbeutung gehört zum Geschäftsmodell. Amazon treibt dieses Geschäftsmodell mit „Amazon mechanical turk” auf die Spitze. Dort bestimmt eine Computerschnittstelle, welche Aufgaben von Clickworkern übernommen werden. Der Algorithmus wird zum Vorgesetzten. „Versuch' mal mit einem Algorithmus über Bezahlung oder Fortbildungen zu verhandeln.” Wartet auf uns in Zukunft also der „Arbeitsstrich des 21. Jahrhunderts”, wie es Kleske formuliert? Nicht, wenn wir uns dagegen wehren. Er vergleicht die Situation mit der Industrialisierung und fordert eine neue Arbeiterbewegung.
Zeit für eine neue Arbeiterbewegung
Die Gewerkschaften haben das Problem auf dem Schirm. So hat die IG Metall am 1. Mai die Plattform faircrowdwork.org gestartet. Und auch einige Startups gehen schon in eine andere Richtung. Der Butler-Service Alfred setzt bewusst auf festangestellte Mitarbeiter, um die Qualität des Services zu garantieren. „Wir sollten es nicht Risikokapitalgebern überlassen, über unsere Arbeit der Zukunft zu bestimmen”, plädiert Kleske.