1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Streit zwischen den Eltern: Nicht nur den Kopf einziehen

Streit zwischen den Eltern: Nicht nur den Kopf einziehen

Von Manja Greß 26.06.2007, 13:38

Köln/Hannover/dpa. - Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte, heißt es. Doch tragen die eigenen Eltern ihre Meinungsverschiedenheit offen und lautstark aus, finden das Jugendliche gar nicht lustig.

Oft leiden die Teenager unter der angespannten Situation zu Hause und haben sogar Angst, dass sich die Eltern irgendwann trennen. Dabei muss ein Streit nicht immer etwas Schlimmes sein. «Im Gegenteil», sagt Psychologe Christian Lüdke aus Köln. «Streit ist uns angeboren. Schon kleine Kinder versuchen so ihren Willen durchzusetzen und entwickeln dabei ihre Persönlichkeit. Das setzt sich dann Zeit unseres Lebens fort.» Selbst wenn sich Vater und Mutter mal zoffen, müssen sich Jugendliche also nicht automatisch Sorgen machen.

«Die meisten von ihnen versuchen, sich trotzdem einzumischen und zu schlichten», sagt Lüdke und findet das auch richtig. «Allerdings sollten sie den richtigen Zeitpunkt abwarten. Wer damit in eine Auseinandersetzung hineinplatzt, riskiert, dass die Sache nach hinten losgeht.» Die Streithähne seien in dieser Situation zu sehr emotional aufgeladen. Besser sei es, einen ruhigeren Moment zu nutzen. «Zum Beispiel beim Abendessen oder kurz vorm Schlafengehen», sagt der Experte.

Familientherapeut Wolfgang Bergmann aus Hannover schlägt vor, als erstes der Ursache des Streits auf den Grund zu gehen. «Da stellt man Vater und Mutter einfach mal die Frage, warum sie sich streiten.» Dabei könne es durchaus vorkommen, dass die selbst erstmal überlegen, weil sie sich bei ihrem Disput schon längst von der eigentlichen Sache entfernt haben.

Ist der Grund geklärt, müssen die Jugendlichen nicht unbedingt neutral bleiben. «Obwohl sie im Normalfall die Mutter genauso lieb haben wie den Vater, können sie für eine der Seiten Partei ergreifen, wenn sie eine ähnliche Meinung haben», sagt Bergmann. «Gemeinsam kann dann über die gegenseitigen Vorwürfe diskutiert werden. Es stellt sich oft schnell heraus, dass keine der beiden Seiten allein im Recht ist», glaubt Lüdke. «Es geht ja schließlich auch nicht um Gewinner und Verlierer. Wichtiger ist es, einen Kompromiss auszuhandeln, mit dem alle Familienmitglieder gut leben können.»

Bergmann ermutigt Teenager, offen mit ihren Eltern über die eigenen Ängste zu sprechen. «Während einer Auseinandersetzung werden manchmal Dinge gesagt, die nicht so gemeint sind.» Schnell ist dann mal von Trennung oder gar Scheidung die Rede. «Deshalb ist es wichtig, die Eltern darauf anzusprechen.» So erfahren junge Leute, wie es wirklich um die Beziehung ihrer Eltern steht und ob die Sorgen gerechtfertigt sind oder nicht.

Wer sich seine Gedanken ab und zu von der Seele redet, kann auch besser mit schwierigen Situationen zu Hause umgehen. Davon ist Pädagogin Katia Saalfrank überzeugt. Sie hat als «Super Nanny» in ihrer gleichnamigen TV-Sendung auch immer wieder mit Jugendlichen und deren Problemen zu tun. «Besprechen können sie sich mit jedem, zu dem sie Vertrauen haben. Das sind manchmal auch andere Familienmitglieder, wie zum Beispiel Onkel, Tante, Oma und Opa oder die eigenen Geschwister.» Saalfrank glaubt aber auch, dass Jungs und Mädchen in der heutigen Zeit diesen engen Familienverbund oft nicht mehr haben. «Es sollte keiner mit seinen Sorgen allein bleiben. Die beste Freundin oder der Kumpel hören sicher auch gern zu.»

Wenn sich die Eltern allerdings nur noch anschreien, sollten sich Jugendliche professionelle Hilfe holen. «Die finden sie bei den Mitarbeitern der Kinderbüros, die es in jeder größeren Stadt gibt», sagt Psychologe Lüdke. Auch Jugendämter und Erziehungsberatungsstellen helfen in dieser Situation. «Wer sich unsicher ist, kann einen Vertrauenslehrer oder den Kinderarzt, bei dem Jugendliche bis zu einem bestimmten Alter noch in Behandlung sind, nach Adressen und Telefonnummern fragen», sagt Lüdke. «Außerdem gibt es viele Internetportale, in denen Pädagogen und Psychologen wertvolle Tipps geben, wenn die Stimmung zu Hause unerträglich wird.»

Damit es nicht erst soweit kommt, hat Katia Saalfrank ein paar Tipps, mit denen kleine Reibereien nicht zum handfesten Zoff werden. «Die Jugendlichen können versuchen, gemeinsam mit ihren Eltern ein paar Verhaltensregeln aufzustellen, die beim Streit eingehalten werden müssen. Wenn jeder dem anderen zuhört, ihn ausreden lässt und keiner rumschreit, lässt sich eine Meinungsverschiedenheit am besten klären.»