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Stillsitzen verboten: Erste Sportgrundschule in Deutschland

Von Jürgen Ruf 05.09.2007, 09:49

Freiburg/dpa. - Stillsitzen ist streng verboten: In Deutschlands erster Sportgrundschule ist Rennen und Springen im Unterricht nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht.

Die Kinder im Alter von sechs bis elf Jahren sollen durch Bewegung besser lernen. In der kommenden Wochen öffnet die Schule, die nach Angaben der Initiatoren bundesweit einmalig ist.

«Wir verändern Schule. Wir stellen die Bildung auf die Füße», sagt Günther Giselbrecht, Sportreferent der Freiburger Turnerschaft (FT) von 1844. Die FT ist mit mehr 6400 Mitgliedern der größte und einer der ältesten Sportvereine in Baden-Württemberg. Seit 1973 betreibt der Verein einen Sportkindergarten. Nun eröffnet er Deutschlands erste Sportgrundschule. Die Klasse, die am 10. September eingeschult wird, besteht aus 25 Schülern.

Die «Bewegte Schule», so der offizielle Titel, ist eine Privatschule mit Ganztagesbetrieb. Das monatliche Schulgeld beträgt 290 Euro. Unterrichtet werden die Schüler von Grundschullehrern, die auch Diplomsportpädagogen sind. Wie in allen Schulen im Land gilt auch in der Sportgrundschule Baden-Württembergs Lehrplan. Der Lerninhalt ist zwar identisch, die Form des Unterrichts jedoch anders.

«Bewegung ist bei uns das Tor zum Lernen, nicht nur das Beiwerk», sagt Giselbrecht, der bereits das Konzept für den Sportkindergarten entwickelt hat. Das bedeutet: Lerninhalte, die im Unterricht behandelt werden, sollen sich Lehrer und Schüler durch Körpereinsatz erarbeiten. «Bei uns lernen Kinder mit allen Sinnen», sagt Giselbrecht. Beispielsweise den Mengenbegriff, indem Gegenstände im Raum gruppiert werden, die dann rennend eingesammelt werden müssen.

«In der klassischen Schule sind Bewegung und Lernen Gegensätze. Doch wir sind der Ansicht, dass diese beiden Begriffe ein untrennbares und erfolgreiches Doppel sind», sagt der Sportreferent. Sport bilde die Voraussetzung für erfolgreiches Lernen. Fänden sich die Kinder gut im dreidimensionalen Raum durch Seilspringen oder Klettern zurecht, lernten sie auch die Mathematik leichter. Gute Augenbeweglichkeit durch Ballspiele erleichtere den Kindern, lange und konzentriert Ausführungen an der Tafel zu folgen.

«Man kann sehen und fühlen, wie viel der Sport den Kindern bringt», sagt Tillmann Cordes. Der Vorsitzende des Fördervereins der Sportgrundschule ist Vater von drei Kindern, die sich bereits im Sportkindergarten austoben. «Wir wollen eine richtige Ganztagsschule mit einem durchgängigen Lehrkonzept und nicht nur Betreuung für den Nachmittag», sagt er. Der Wechsel zwischen Lernen und Bewegen soll sich nach dem Biorhythmus der Kinder richten.

In der geplanten Schule sollen die Kinder unter der Anleitung von Sportpädagogen springen, laufen, spielen oder jonglieren. «Hundert Minuten dauert eine Lehreinheit, in der die klassischen Fächer unterrichtet werden«, sagt Sportreferent Giselbrecht. Dazwischen wird es kleine und große Bewegungspausen unter professioneller Anleitung geben: draußen oder in der Sporthalle. Aber auch Rückzugsmöglichkeiten oder ruhiges Basteln seien möglich.

Neun Stunden Bewegung stehen auf dem Stundenplan. Das Angebot reicht von Artistik über Klettern bis zu Yoga. «Wir wollen Kinder stark und widerstandsfähig machen. Sind sie über ein gewisses Könnensniveau hinaus, bleiben sie auch als Erwachsene bei der Stange», sagt Giselbrecht. Leistungssportler müssen die Kleinen auf keinen Fall werden. Sie sollen sich nach ihren individuellen Fähigkeiten und mit Spaß bewegen.

«Das Interesse an unserem Konzept ist enorm», sagt Elternvertreter Cordes. Die beiden neuen Klassen, die 2008 beginnen, seien schon jetzt ausgebucht. Wenn die Schule einmal ihre geplante Größe erreicht hat und für allen Jahrgangsstufen Klassen anbietet, werden laut Plan 200 Kinder von 40 Lehrern unterrichtet.

Weitere Informationen: www.ft1844-freiburg.de