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Ostseeinsel Ummanz Ostseeinsel Ummanz: Die stille Schwester von Rügen

Von MICHAEL ZEHENDER 21.06.2012, 15:41

Halle (Saale)/MZ. - Norbert Briesemeister kennt jeder auf der Insel. Bei gerade 274 Einwohnern ist das kein großes Kunststück. Doch der 73-Jährige ist so was wie ein Inselunikum. Mit grauem Rauschebart und fülligem Bauch wirkt er wie eine Mischung aus Hochseekapitän, Wildecker Herzbuben und dem Weihnachtsmann. Seit 1970 ist er auf Ummanz - zunächst auf dem Volkseigenen Gut (VEG), später im privatwirtschaftlichen Betrieb, den er 2002 übernahm. 7 500 Rinder gab es hier einst, doch Briesemeister hatten es stets die Haflinger angetan. Er hob die Zucht aus der Taufe, heute stehen in seinem Stall 20 Pferde. Sie sind eine der Attraktionen auf der Insel Ummanz.

Ummanz? Kaum jemand kennt dieses Eiland im Westen von Rügen. Dabei ist es mit rund 4 200 Hektar die fünftgrößte deutsche Ostseeinsel, doch angesichts jener 274 Einwohner eines der am dünnsten besiedelten Gebiete der Bundesrepublik. Seit 1901 verbindet eine kleine Brücke Rügen und Ummanz. Doch noch immer verirren sich nur wenige Touristen hierher. Die Insel, die sich an ihrer höchsten Stelle gerade einmal 6,2 Meter aus dem Meer erhebt, wirkt ein bisschen wie der vergessene Teil von Rügen. Wer hierher kommt, tut dies vor allem wegen der Natur und der Ruhe.

Da sind die Haflinger von Norbert Briesemeister eine willkommene Abwechslung. Briesemeister veranstaltet Kutschfahrten über die Insel. Gäste können Schnupperreitstunden buchen. Doch allein damit käme er nicht mehr über die Runden. Seitdem Jürgen Henne vor ein paar Jahren mit in den Betrieb eingestiegen ist, setzen beide verstärkt auf Stutenmilch, die sie bundesweit vermarkten.

Die Bewohner der Insel versorgt schon seit Urzeiten ein kleiner Laden, der ehemalige Konsum. Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Die belegte Schrippe kostet 48 Cent. Der zweite Laden im Hauptort Waase verkauft keine Lebensmittel, sondern Keramik. Inhaberin ist Susan Schmorell. 1991 ist sie auf die Insel gekommen, auf der Suche nach einem passenden Haus für ihre Töpferwerkstatt - ein leerstehendes Gebäude des VEG tat es ihr an.

"Ganz ruhig und beschaulich geht es hier zu", erzählt sie und blickt hinaus in den Garten. Nur wenige Meter dahinter liegt die Ostsee friedlich im Morgennebel. "Früher haben mich Touristen gefragt, ob ich hier auch im Winter lebe." Dabei sei es auf Ummanz in der kalten Jahreszeit doch eigentlich am schönsten. "Da kann man die Akkus vom Sommer wieder auftanken. Aber ich kann die Ruhe eben auch gut aushalten." Über die Ruhe freuen sich vor allem die Zugvögel. Zweimal im Jahr machen Heerscharen von Kranichen Rast auf Ummanz. Von einem Beobachtungspunkt im Norden der Insel verfolgen Besucher die Vögel.

Leben auf die Insel bringt ein Surfhostel und eine Surfschule. "An der Westseite der Insel gibt es ein hervorragendes Surfrevier", erzählt Schmorell. In einer angegliederten Kulturscheune steigen hin und wieder Veranstaltungen, zu denen auch Gäste des benachbarten Campingplatzes kommen. Im Hauptort Waase hat im Frühjahr eine Kaffeerösterei eröffnet. Ansonsten müssen Urlauber, die etwas Abwechslung suchen, nach Rügen ausweichen. Dort ganz im Westen liegt der "festländische Teil" der Gemeinde Ummanz. Hier gibt es zwei Erlebnisbauernhöfe und eine Destillerie der besonderen Art. Rainer Hessenius und seine Frau haben die erste Edeldestillerie von ganz Mecklenburg-Vorpommern eröffnet. Von Haus aus Gastronom, kam er nach der Wende auf die Insel und wurde auf die alten Obstbäume aufmerksam. Schnell kam er auf die Idee mit den Edelbränden. Monatelang drückte er die Schulbank, sanierte den Hof und pflegte die Bäume. Nur Tafelobstqualität landet in den Flaschen.

Zurück auf der Insel lohnt ein Abstecher zur Kirche in Waase. Auf die sind die Ummanzer neben den denkmalgeschützten Fischerhäusern im Ortsteil Freesenort besonders stolz - vor allem auf ihren Altar. Gekauft hatte ihn einst die Stadt Stralsund in Antwerpen, doch irgendwann vermachte sie ihn den Ummanzern. Der Altar zeigt u. a. in kunstvollen Schnitzereien das Leben von Thomas Beckett, einem Erzbischof von Canterbury, der heilig gesprochen wurde.

Offenbar bereuen die Stralsunder heute ihre Schenkung. Sogar einen Prozess haben sie schon angestrengt - vergeblich. Der Altar bleibt auf Ummanz. So sind sie eben, die Ummanzer. Stolz auf ihre Besonderheiten, aber eben auch ein bisschen bestimmt, wenn es sein muss - vor allem aber ohne jede Hektik, so wie die Insel selbst.

Auf Ummanz gibt es neben Surfhostel und Campingplatz nur Ferienwohnungen, -häuser und Fremdenzimmer